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Kommentar UnionKonservativer Phantomschmerz

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Merkels postideologischer Politik fehlt es an Aufladung mit Sinn und leuchtenden Ideen. Doch damit ist sie Avantgarde. Das Zweifeln in ihrer Partei bleibt nur Hintergrundrauschen.

A ngela Merkel versteht, wie postideologische Politik funktioniert. Politik macht man situativ - je nach Lage. Was mittelfristig keine Mehrheiten verspricht, lässt man am besten über Bord gehen. Nur so lässt sich etwa ihr Schwenk in der Atompolitik begreifen.

Schön sieht diese Politik nicht aus. Ihr fehlt es an Aufladung mit Sinn und umfassenden, leuchtenden Ideen. Doch damit ist Merkel in gewisser Weise Avantgarde: In einer Gesellschaft, in der soziale Milieus und Stammwählergruppen schrumpfen, mit eher geringem Bedarf an Feindbildern und ohne jedes utopische Zukunftsversprechen, ist nüchternes Durchwurschteln nur konsequent. Damit hat Merkel die Union nebenbei sogar reif für Schwarz-Grün gemacht.

Allerdings hat ihr Stil einen Preis. Politik ohne Leidenschaft schrumpft rasch zum Verwaltungsakt. Es ist kein Zufall, dass Merkel & Co das Adjektiv "alternativlos" mal auf die Laufzeitverlängerung, dann auf den Atomausstieg, mal auf die Eurorettung, dann auf das Nein zur Aufstockung des Rettungsschirms kleben. Merkels größte Schwäche ist, dass sie ihre Politik nicht zu begründen weiß.

Bild: taz
STEFAN REINECKE

ist Redakteur im Berliner Parlamentsbüro der taz.

Nichts zu befürchten hat die CDU-Chefin indes von Zweiflern in der eigenen Partei. In der ersten Reihe gibt es sowieso keine Merkel-Kritiker mehr. Und die Scharmanns, Wagners und Möhrings kommen über Nörgelei kaum hinaus. Sie fordern mehr Standhaftigkeit bei der Eurokrise - Athen pleitegehen lassen wollen sie aber auch nicht.

Manche fordern christliche Prinzipienfestigkeit, aber jenseits von ein paar katholischen Hochburgen lässt sich mit Anti-Homoehen-Parolen kein Blumentopf gewinnen. Solange Merkel Kanzlerin ist, wird diese Kritik nur Hintergrundrauschen bleiben. Aber nur so lange.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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1 Kommentar

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  • K
    Kalle

    Hach, der Artikel war so schön.... und dann der letzte Satz. Schwachsinnige Zukunftsprognosen können sich Journalisten offenbar um keinen Preis verkneifen, da würden die sich eher Körperteile abschneiten.

     

    1) Bis Merkel keine Kanzlerin mehr ist, könnte es schließlich verdammt lange dauern. Offenbar finden deutsche Wähler sie ja so geil, dass sie sie schon zweimal zur Kanzlerin gemacht haben. Dass Politiker ihre Politik begründen können, ist offenbar nix, worauf die Wähler auch nur ansatzweise Wert legen würden.

    Der bisherige Rekord liegt bei 16 Jahren.

    Also warten wir's mal ab...

     

    2) Und selbst wenn Merkel keine Kanzlerin mehr ist: Bis dahin wird vermutlich der Letzte kapiert haben, dass gerade ihre Inhaltsleere gleichzeitig ihr grandioses Erfolgskonzept ist. Wenn das jetzt sogar schon Kommentatoren in Zeitungen ahnen...

    Es findet sich garantiert der nächste machtgeile Mensch, der ihr das nachmachen wird. Und die Deutschen werden auch ihn oder sie lieben wie verrückt.