Kommentar Umweltschutz: Strompreise - Ökologie wird Luxus
Klimaschützer drücken bei den sozialen Folgen ihrer Politik gerne ein Auge zu. Dabei zeigen gerade die hohen Strompreise, wie wichtig es ist, Umweltschutz und sozialen Ausgleich zu verbinden.
N icht nur an Zahnlücken erkennt man, wer wenig Geld hat, sondern auch daran, welche Lampen in seiner Wohnung brennen. Die Möglichkeit, unbeschränkt Energie zu verbrauchen, wird allmählich zum Indikator für die soziale Lage. Wenn ein normal mit Waschmaschine, Spülmaschine, Unterhaltungselektronik und Beleuchtung ausgestatteter Vierpersonenhaushalt mittlerweile 60 Euro pro Monat für Strom bezahlt, ist das kein Spaß mehr. Da helfen auch die beliebten Hinweise nicht weiter, die Stromkonzerne nähmen aufgrund ihrer Monopolstellung überhöhte Preise. Es gibt noch einen anderen Grund für teuren Strom: Er heißt Klima- und Umweltschutz.
Die Verfechter des Klimaschutzes von den Grünen über den BUND bis zu Attac drücken gerne ein Auge zu, wenn es um die sozialen Auswirkungen ihrer Politik geht. Ohne es immer offen zu sagen, freut man sich doch darüber, dass die Preise für Energie steigen. Denn höhere Preise, so die marktwirtschaftliche Vulgärtheorie, bedeuten geringeren Energieverbrauch und damit besseren Schutz des Klimas. Die sozialen Auswirkungen dieser Strategie bedenken die wenigsten. Wer kann sich die zunehmend höheren Kosten ökologischen Lebenswandels leisten? Wie lassen sich Klimaschutz und sozialer Ausgleich verbinden? Erste Ansätze, diese Frage zu beantworten, haben die Grünen entwickelt: Die Energierechnung ärmerer Menschen soll mit dem Geld, das die Wohlhabenden für ihren Strom bezahlen, subventioniert werden. Für diese neue Art der Umverteilung fehlen allerdings noch die politischen Instrumente. Der Vorschlag ist augenblicklich ähnlich realistisch wie das Ziel, den Klimawandel auf zwei Grad Temperatursteigerung zu begrenzen.
Auch die Art, wie Umweltpolitik gemacht wird, hat Auswirkungen auf die Chancenverteilung innerhalb einer Gesellschaft. Nur wer diesen Zusammenhang sieht, kann seine ökologischen Ziele erreichen. Ignoriert er ihn, muss er mit dem Protest derjenigen rechnen, die Klimaschutz aufgrund ihrer persönlichen Lage als Luxus betrachten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen