piwik no script img

Kommentar UmweltschutzStrompreise - Ökologie wird Luxus

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

Klimaschützer drücken bei den sozialen Folgen ihrer Politik gerne ein Auge zu. Dabei zeigen gerade die hohen Strompreise, wie wichtig es ist, Umweltschutz und sozialen Ausgleich zu verbinden.

N icht nur an Zahnlücken erkennt man, wer wenig Geld hat, sondern auch daran, welche Lampen in seiner Wohnung brennen. Die Möglichkeit, unbeschränkt Energie zu verbrauchen, wird allmählich zum Indikator für die soziale Lage. Wenn ein normal mit Waschmaschine, Spülmaschine, Unterhaltungselektronik und Beleuchtung ausgestatteter Vierpersonenhaushalt mittlerweile 60 Euro pro Monat für Strom bezahlt, ist das kein Spaß mehr. Da helfen auch die beliebten Hinweise nicht weiter, die Stromkonzerne nähmen aufgrund ihrer Monopolstellung überhöhte Preise. Es gibt noch einen anderen Grund für teuren Strom: Er heißt Klima- und Umweltschutz.

Die Verfechter des Klimaschutzes von den Grünen über den BUND bis zu Attac drücken gerne ein Auge zu, wenn es um die sozialen Auswirkungen ihrer Politik geht. Ohne es immer offen zu sagen, freut man sich doch darüber, dass die Preise für Energie steigen. Denn höhere Preise, so die marktwirtschaftliche Vulgärtheorie, bedeuten geringeren Energieverbrauch und damit besseren Schutz des Klimas. Die sozialen Auswirkungen dieser Strategie bedenken die wenigsten. Wer kann sich die zunehmend höheren Kosten ökologischen Lebenswandels leisten? Wie lassen sich Klimaschutz und sozialer Ausgleich verbinden? Erste Ansätze, diese Frage zu beantworten, haben die Grünen entwickelt: Die Energierechnung ärmerer Menschen soll mit dem Geld, das die Wohlhabenden für ihren Strom bezahlen, subventioniert werden. Für diese neue Art der Umverteilung fehlen allerdings noch die politischen Instrumente. Der Vorschlag ist augenblicklich ähnlich realistisch wie das Ziel, den Klimawandel auf zwei Grad Temperatursteigerung zu begrenzen.

Auch die Art, wie Umweltpolitik gemacht wird, hat Auswirkungen auf die Chancenverteilung innerhalb einer Gesellschaft. Nur wer diesen Zusammenhang sieht, kann seine ökologischen Ziele erreichen. Ignoriert er ihn, muss er mit dem Protest derjenigen rechnen, die Klimaschutz aufgrund ihrer persönlichen Lage als Luxus betrachten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.

8 Kommentare

 / 
  • DM
    Dagmar Monje

    zum Kommmentar von Roland Schell:

    Es macht mich böse, richtig böse, wenn ich den Satz lese "Es ist aber leider so, daß diejenigen, die um das tägliche Überleben kämpfen, unempfänglich für ökologische Argumente sind". Was bildet sich Herr Schell eigentlich ein, sich damit herausnehmen zu können. Sicher, ich gehöre zu den Leuten, auf die es nicht ankommt (Bruno Preisendörfer). Studiert, unterbezahlt, dafür arbeitend, dass es gerade für mich und meine Kinder (und deren Bildung) reicht. Damit jedoch die Unzulänglichkeit sowie die Unempfindlichkeit für ökologische Argumente zu verbinden, ist eine Dreistigkeit.

     

    D. Monje

  • T
    Thorsten

    Ich kann als Normalverdiener dem Artikel nur zustimmen. Unsere beiden vorausschauend gewarteten (auch das ist ein Beitag zur besseren Ökobilanz) 10 und 18 Jahre alten Diesel (mit Nachrüstkats) sind sparsam und leicht, könnten noch ohne weiteres lange leben, werden aber mit Fahrverboten und Strafsteuern belegt, eine Rapsölumrüstung mit Lieferboykott seitens der Produzenten und Mineralösteuer auf ein LLebensmittel. Die moderne Holzzentralheizung wird neuerdings auch immer mehr zum Luxus. Und die Solarkollektoren werden wahrscheinlich mit einer "Sonnenlichtsteuer" belegt, wenn ich sie im Sommer endlich auf dem Dach habe.

    So ist das wohl in diesem Land: Erst fördern, dann eine kleine Schwachstelle ausmachen und die böse Technik mit einer Strafe belegen, schliesslich müssen die Fördertöpfe ja wieder gefüllt werden. Klartext: Je ökologischer ich versuche zu denken, desto mehr fühle ich mich verarscht. Es hat nichts mehr mit Luxus zu tun ökologisch zu denken und zu handeln, das ist eine Legitimation für gelangweilte Staatsdiener zur Wegelagerei mit ökologischem Deckmantel!

  • WV
    Wolf von Fabeck

    "Strompreise - Ökologie wird Luxus - Klimaschützer missachten soziale Auswirkungen ihrer Politik", so war ein Artikel in der taz vom 2.1.08 überschrieben. Dieser Artikel darf nicht unwidersprochen bleiben.

     

    Die hohen Strompreise haben einen Grund.

     

    Energie ist eine begehrte Ware. Wer eine begehrte Ware anbieten kann, kann hohe Preise fordern und immense Gewinne erzielen, besonders wenn es keine echte Konkurrenz gibt. Wenn kein echter Wettbewerb da ist, muss der Staat eingreifen. Das Kartellamt ist hier zuständig. Doch die mangelhafte Personalausstattung von Kartellamt und Bundesnetzagentur sowie einschränkende gesetzliche Bestimmungen verhindern wirksame Preiskontrollen. So steigen die Gewinne der Energieversorger in unvorstellbare Höhen.

     

    Dass die Energieversorger von ihren übermäßigen Gewinnen ablenken wollen, ist verständlich. Alleine bei E.ON waren es in den ersten drei Monaten von 2007 mehr als 7 Milliarden Euro. Der Hinweis auf Mehrkosten bei den Erneuerbaren Energien ist allerdings lächerlich, der Hinweis auf die soziale Auswirkung hoher Strompreise in diesem Zusammenhang ist üble Stimmungsmache.

     

    Natürlich tun hohe Strompreise denjenigen besonders weh, die am unteren Ende der sozialen Skala leben. Doch nicht nur die hohen Strompreise tun weh. Armut tut auch bei den hohen Preisen für Medikamente weh, bei den hohen Preisen für gute Wohnungen, bei den hohen Preisen für eine gute Ausbildung, bei den hohen Preisen für gute Kleidung, für gute Kinderbetreuung und so weiter. Bei allen Preisen tut Armut weh. Auch der Klimawandel trifft zuerst die Armen. Die meisten der 40.000 Hitzetoten im Sommer 2004 fanden sich unter der armen Bevölkerung in schlecht hitzegedämmten Dachwohnungen und Elendsquartieren.

    Wer politisch etwas gegen die Armut unternehmen will, sollte sich gegen die ungerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen in unserem Land wenden, aber nicht gegen die Erneuerbaren Energien, denn Erneuerbare Energien sind notwendig, um den Klimawandel einzudämmen - auch zum Schutz der Armen.

  • RS
    roland schnell

    Es ist schon peinlich, daß ausgerechnet die taz die sozial Schwachen für eine Kampagne der Energiekonzerne gegen ökostrom mobilisieren will. Modelle, die helfen könnten, gab es. Allerdings werden diese aus "marktwirtschaftlichen" Gründen abgeschafft oder verleumdet. Etwa einen billigen Tarif für den Grundbedarf und dann progressiv ansteigende Kosten für den Mehrverbrauch. Es ist kein Geheimnis, daß die "Reichen" mehr konsumieren. Aber es ist genau umgekehrt. Es gibt Mengenrabatte und wer viel verbraucht wird belohnt.

    Wir werden auch jetzt wieder erleben, daß Ärmere anfangen ihre Wohnung mit Strom zu heizen. Billigen Brennstoff können sie nie kaufen und die Stromrechnung wird erst nach einigen Monaten akut. Aber niemand kommt auf die Idee, die Wohnungen besser zu isolieren und mit Solaranlagen auszustatten. Dagegen läuft die Wohnungswirtschaft seit Jahren Sturm.

    Es ist aber leider so, daß diejenigen, die um das tägliche Überleben kämpfen, unempfänglich für ökologische Argumente sind. Die Grünen haben darauf immer mehr mit der marktkonformen Lösung reagiert, daß die Kosten eben steigen müßten. Ein typische Mittelschicht-Denke. Vergessen sind die einst gebräuchlichen Techniken, auch den weniger gut betuchten durch rationellere Systeme Vorteile zu verschaffen. Beispiel könnten die Konsumgenossenschaften sein, die ihren Mitgliedern den Zugang zu preiswerten und qualitativ hochwertigen Waren verschafften. Eine Energiegenossenschaft, die ihren Mitgliedern eben nicht nur günstigen Ökostrom anbietet, sondern auch alle Kniffe zum Energiesparen vermittelt, könnte eine Lösung sein.

    Manche Stadtwerke sind schon am Werk, aber die werden ja - übrigens unter dem Beifall grüner Parlamentarier - privatisiert und achten nur noch auf die Rendite.

     

    Roland Schnell, Berlin

  • IF
    Ingo Franssen

    Bravo!

     

    Umweltschutz sollte nicht nur etwas für wohl situierte Bildungsbürger sein. Dennoch: Eine Strategie der Umverteilug der gestiegenen Energiekosten ist zwar ein Anfang des Umdenkens in grünen Kreisen. Sie greift allerdings zu kurz. Sie durchbricht nicht die Denkmuster einer monetär denkenden Elite, dass sich am Geld schon alle orientieren würden.

  • MM
    M. Mützel

    Kaum haben auch die Weltbank und einige Wirtschaftsverbände erkannt, dass Klimaschutz eine gute Idee ist, übernimmt die taz das Lied von "Klimaschutz ist zu teuer". Natürlich wird "der kleine Mann" vorgeschickt, man ist ja links (ob die Nutzer von moderner "Unterhaltungselektronik" international betrachtet so arm sind, lassen wir einmal außen vor). Ich nehme aber an, dass sich über die Forderung nach billigeren (=weniger?) Klimaschutzauflagen hauptsächlich diejenigen freuen werden, die die offenkundig vorhandene Zahlungsbereitschaft alleine abschöpfen wollen. Schade.

  • JS
    Johan Steunenberg

    Lieber Herr Koch,

     

    Sie zäumen wohl das Pferd von hinten auf. Das eine notwendige Verteuerung der Energie für Menschen mit wenig Geld problematisch ist, ist klar. Das es nicht problematisch ist für Leute mit mehr Geld ist auch ein Problem.

     

    Soziale Ungerechtigkeit bekämpft man aber nicht mit subventionierter Strom, wie die Grünen das machen. Soziale Ungerechtigkeit bekämpft man auch nicht mit der Verleumdung der großen Stromkonzernen, wie die große Koalition das macht.

     

    Die Energiepreise sind immer noch viel zu niedrig. Aber auch ohne Klimapolitik (und eigentlich haben wir kaum eine Klimapolitik) und ohne Stromkonzerne werden die Energiepreise weiter steigen. Die fossile Ära ist demnächst vorbei. Und auch ohne Klimapolitik und ohne Stromkonzerne wird die Chancengleichheit immer kleiner. Innerhalb Deutschland und in der Welt.

  • MB
    Matthias Bauer

    Nichts gegen die Meinung von Hannes Koch - wenn er doch nur ein paar mehr Fakten kennen würde! Wer etwa Attac unterstellt, soziale Interessen hinter ökologischen einzuordnen, kann bei der Recherche kaum über die Internet-Startseite hinausgekommen sein. Und die Umweltverbände wie BUND, Greenpeace oder SFV sowie auch UmweltpolitikerInnen von Grünen, SPD und Linken haben sehr wohl Konzepte erarbeitet, wie Umweltschutz und Gerechtigkeit gemeinsam erreicht werden können. So bleibt der Kommentar ärgerlich, weil er eine wichtige Initiative ohne Not kaputtschreibt.

     

    Und nur die Klassenkampfparolen halten mich davon ab, für unseren internen umweltpolitischen Infodienst schon wieder auf die "Junge Welt" zurückgreifen.

     

    Trotzdem alles Gute im Neuen Jahr

     

    Matthias Bauer

    Grünes Haus Redaktionsbüro, Berlin