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Kommentar UkraineWas nun zu tun wäre

Bernhard Clasen
Kommentar von Bernhard Clasen

Noch glaubt niemand ans Ende der Kämpfe in der Ostukraine. Wenn jetzt vertrauensbildende Maßnahmen ergriffen werden, gibt es eine Chance.

Und jetzt? Waffenabzug im Osten der Ukraine. Bild: Reuters

I m Donbass herrscht Waffenruhe, doch richtig glauben will es noch keiner. Zu oft ist die Zivilbevölkerung in ihren Hoffnungen enttäuscht worden. Und so gehen die Menschen in Donezk weiter in möglichst unauffälliger Kleidung auf die Straße, bemühen sich, vermeiden möglichst die Nachrichtensendungen und haben unverändert Bohrer und Hammer griffbereit, um den nächsten Artilleriebeschuss mit eigenem Lärm übertönen zu können.

Der fragile Waffenstillstand muss gefestigt werden – mit vertrauensbildenden Maßnahmen. Auf beiden Seiten ist das Misstrauen abgrundtief. Die OSZE ist mit der Überwachung überfordert. Sie muss schnellstens aufgestockt werden, materiell und personell. Würden an jeder Artilleriewaffe zwei OSZE-Beobachter sitzen, hätten all die, die die Waffenruhe lieber heute als morgen brechen wollten, ein Problem.

Wenn es bei der Vertrauensbildung keine Fortschritte gibt, und sei es im homöopathischen Bereich, werden beide Seiten die aktuelle Waffenruhe nur zur Vorbereitung für die nächste Schlacht nutzen. Es wäre vertrauensbildend, wenn Russland die ukrainische Pilotin Nadeschda Savchenko aus der Haft entließe. Es wäre vertrauensbildend, wenn die Ukraine die mit einer fünfjährigen Einreisesperre verbundene angekündigte Ausweisung der russischen Journalisten Alena Makarowa und Sergej Korenew zurücknähme. Und es wäre vertrauensbildend, wenn der Westen nicht wie angekündigt Waffen in die Ukraine lieferte.

Apropos Waffenimporte: Wer wird diese eigentlich bezahlen? Die Oligarchen? Die Bevölkerung? In Kiew leeren sich die Regale in den Lebensmittelgeschäften. Sollen die Menschen in der Ukraine, die nicht einmal genug zum Leben haben, auch noch die neuen Waffen bezahlen, mit denen sie angeblich gerettet werden sollen?

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Bernhard Clasen
Journalist
Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.
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15 Kommentare

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  • Spannende Überschrift – enttäuschender Inhalt. Denn was Herr Clasen da als vertrauenbildende Maßnahmen aufzählt, geht wohl an den betroffenen Menschen und am eigentlichen Problem weit vorbei. Wenn man sich erinnert, weshalb dieser Bürgerkrieg geführt wird, dann hilft nur Eines: Die Kiewer Machthaber müssen endlich in direkte Gespräche mit den Aufständischen eintreten (d.h. die USA müßten zunächst grünes Licht dafür geben). Wenn man dabei die Legitimation der jetzigen Vertreter anzweifelt, muß die betroffene Bevölkerung eben Gelegenheit erhalten, ihre Vertreter neu zu bestimmen. Oder wie geht Demokratie?

    Aber das könnte ja zum Nachteil Kiews und seiner Protagonisten ausgehen ...

  • Solange sich Russen und Ukrainer gegegenseitig umbringen, geht es dem "Westen" gut dabei. Also wird der Krieg weiter gehen.

  • Putin fände es sicher auch vertrauensbildend, wenn die Ukraine einfach die südlichen und östlichen Gebiete ihres Staatsterritoriums an Russland abtreten würde und die Waffenbestände der ukrainischen Armee gleich mit. Einen anderen Weg zum Frieden sehe ich nicht. Sie doch auch nicht, Herr Clasen, oder?

    • @Gerd Müller:

      Und Ihnen sind die Menschen in der Ukraine wohl völlig egal?

       

      Sie scheinen sich nur für Putin, Putin, Putin zu interessieren.

      • @Age Krüger:

        Nee, die Menschen sind mir nicht egal. Deshalb verstehe ich nicht, warum der "Westen" und hier Herr Clasen, diese Menschen einfach so in die Obhut desjenigen Verbrechers übergeben will, der den Krieg in der Ukraine angefacht hat und der ihn weiter befeuert.

        • @Gerd Müller:

          Das ist von "Autonomie" die Rede, nicht von Abtretung an die russische Förderation.

    • @Gerd Müller:

      Warum lernen Menschen denn nichts aus der Geschichte. Bisher habe ich noch nie eine Entspannung der Lage gesehen, sobald mehr Waffen im Spiel waren. Egal von welcher Seite. Die Zeichen der Entspannung sollte man bejubeln und honorieren.

      Einem erneuten Rückfall und der Wiederaufnahme der Gefechte würde eine massive Aufrüstung folgen. Mit Geldern für die Waffenindustrie, die besser in humanitäre Hilfe und den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete investiert wären. Schade, dass Menschen immer noch glauben, man könnte Frieden herbeibomben. Das hat bisher nur einmal geklappt, in Hiroshima und Nagasaki, aber ob man das wirklich wiederholen muss...

    • @Gerd Müller:

      Ich denke die Menschen in der Ostukraine die gegen eine Ihnen vorgesetzte Regierung aufbegehren, währen zufrieden wenn man Ihnen ihre Autonomie zugesteht, in welcher sie frei entscheiden können welche Sprache in öffentlichen Einrichtungen gesprochen werden wird, mit wem die dort ansässigen Unternehmen ihre Handelsbeziehungen führen können und ob sie NATO Stützpunkte auf Ihrem Gebiet haben wollen oder nicht.

      • @Ben Nebelt:

        Wovon sind sie nur so benebelt. Es gibt in den östlichen NATO-Staaten keine NATO-Stützpunkte. Darauf zu verzichten war ein Zugeständnis an Russland. Die Ukrainer übrigens haben sich bis vor einem Jahr Mehrheitlich keine NATO-Mitgliedschaft gewünscht. Mittlerweile will die Mehrheit in die NATO. Ob das vielleicht an der Politik Russlands liegen könnte?

        • @Gerd Müller:

          Östlich wovon? Von Polen und Kasachstan?

          Ich wüsste jetzt nichts von einer Umfrage in der Ukraine über den Beitritt in die NATO.

          Entschieden wurde das ganze, zumindest soweit ich informiert bin, auf der Regierungsebene. Und das kommt nicht besonders überraschend, wenn man bedenkt dass die Regierung lauthals nach NATO Waffen schreit.

      • @Ben Nebelt:

        in der Ostukraine werden sie in Zukunft alle russisch sprechen dürfen, nur eben kein ukrainisch mehr. Aber was sie sagen und frei über irgendwas entscheiden, das werden sie sich in Putins Protekorat zu ihrer eigenen Sicherheit 2 mal überlegen müssen. Ihnen Autonomie (griech. für Selbstherrschaft) zuzugestehen ist jetzt nicht mehr Sache Kiews. Die müssen sie sich v Moskau erkämpfen, wenn die freundlichen "Separatisten" die vorgeben in ihrem Namen zu sprechen denn lassen.

        • @ingrid werner:

          Wenn man das ganze so abstrakt betrachtet, wie sie es tun, dann haben die Menschen in der Ukraine die Wahl zwischen russischer Diktatur und der der Europäisch/US.

          In beiden Fällen müssen sie sich für die eine Seite entscheiden.

          Nun wie es aussieht hat sich Kiew für die eine die Menschen im Osten für die anderer entschieden.

          Ist das bereits Freiheit die Europa mit sich bringt?

          Dafür müssen sie sich die Ostukrainer jetzt von rechten Mördern die Städte zerschießen lassen.

          • @Ben Nebelt:

            Wenn ihnen meine Argumentation zu abstrakt ist, sollten Sie sich vllcht nicht an polit. Diskussionen beteiligen. Wir wissen auch beide sehr gut, dass die Menschen in der Ostukraine u auf der Krim gar nichts frei entschieden haben, ein paar verwirrte werden sich immer finden lassen, die der Propaganda erliegen, aber eine Mehrheit hat sich entw nicht an den Referenden oder Wahlen der "Separatisten" beteiligt, ihnen wurden die Wahlzettel schon von anderen ausgefüllt oder sie hatten ohnehin keine andere Wahl als die "Feldkommandeure" zu wählen die ihnen vorgesetzt wurden, dafür haben sie mildtätigerweise ein paar Sack Kartoffeln bekommen, die in der Not gerade sicher sehr willkommen sind, und wenn das alles nicht gereicht hätte, wäre das auch egal, das Ergebnis stand ohnehin fest. Und hier im Westen habe ich mich jedenfalls noch nicht in einer Diktatur gefühlt, weiß allerdings als Ostdeutsche, wie Diktatur u Obrigkeitsstaat aussehen, die Europäer weiter östl wissen es auch und haben sehr eingehende Erfahrung was Moskau unter "freiwilliger" Gefolgschaft versteht.

            • @ingrid werner:

              Ich persönlich bin nicht in der Lage zu beurteilen, ob der Anschluss der Krim an Russland freiwillig war oder nicht.

               

              Denn ich war nicht vor Ort gewesen.

               

              Sie müssen da scheinbar stichfestere Beweise und Informationen haben.

               

              Ich versuche mich aber auch etwas abseits des Mainstream zu informieren, z.B.:

               

              https://www.youtube.com/watch?v=d1LAFr7YL6Y

               

              was nicht heißt dass ich keine Mainstream Nachrichten konsumiere.

              Nur versuche ich das eine gegen das andere abzuwiegen und daraus meine persönliche Meinung zu bilden.

               

              PS: Was mit Menschen passiert die sich nicht einverstanden mit der derzeitigen ukrainischen Regierung zeigen, passiert sieht man ganz gut in der Ostukraine.

              • @Ben Nebelt:

                "Nur versuche ich das eine gegen das andere abzuwiegen und daraus meine persönliche Meinung zu bilden." Einen Haufen Mist in Kilo und Tonne gg die Wahrheit abzuwiegen führt aber zu nichts. Die Wahrheit wird in anderen Maßeinheiten gewogen.