Kommentar US-Vorwahlen: Rezessionsgewinnler
Der US-Vorwahlkampf dreaht sich vor allem um Wirtschaftsfragen.
Krieg? Welcher Krieg? Als im vergangenen Frühjahr der US-Präsidentschaftswahlkampf begann, schien jeder Tote im Irak und jeder Häuserkampf in Bagdad beim Rennen ums Weiße Haus zu zählen. Je schlechter die Neuigkeiten von der Kriegsfront, umso mehr wurde gehört, was demokratische Kriegsgegner wie Barack Obama und John Edwards zu sagen hatten - und umso näher schien der Republikaner John McCain, der Bushs Kriegsstrategie der Truppenaufstockung befürwortete, seinem politischen Ende zu sein.
Gestern hat McCain nun zum zweiten Mal eine Vorwahl gewonnen. Und auch die Demokratin Hillary Clinton, der ihr "Ja" zum Angriff auf den Irak ebenfalls lange Zeit wie ein Klotz am Bein hing, siegte bereits zum zweiten Mal. Beiden hilft, dass sich die Debatten zwar immer noch um den Häuserkampf in Bagdad drehen. Längst aber wiegen die Hypothekenkrise und Zwangsversteigerungen im eigenen Lande schwerer.
Seit die US-Medien vor knapp zwei Wochen begonnen haben, von "Rezession" zu sprechen, haben sich die Gewichte im US-Wahlkamp dramatisch verschoben. Die Republikaner sind wieder gut gelaunt, die Euphorie um den frischen Visionär Barack Obama ist abgeebbt. Für die Republikaner ist die "Krise" eine Energiespritze. Ungeachtet aller Tatsachen trauen viele US-Amerikaner ihnen in Sachen Wirtschaft einfach mehr zu.
Auch Hillary Clinton profitiert von der Angst um das eigene Hab und Gut. Ihr Mann Bill Clinton bescherte der USA in den Neunzigerjahren einen Wirtschaftsboom und volle Kassen. Der Glanz der Clinton-Ära hilft Hillary nun zu größerer Popularität, als es zuletzt möglich schien. Viele, die aufrichtig einen Neuanfang für Washington wünschen, wollen nun doch lieber erst einmal einen erfahrenen Handwerker ins Oval Office schicken, der ihre Jobs und Häuser rettet.
Dass ausgerechnet die Wirtschaftslage den Republikanern in die Arme spielt, darf man getrost als historische Ungerechtigkeit empfinden. Es waren schließlich die Republikaner unter George W. Bush, die mit ihrem sinnlosen Krieg die Kassen des Landes auf beispiellose Weise geplündert haben.
ADRIENNE WOLTERSDORF
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!