Kommentar US-Vorwahl: Mediale Lust am Siegesrausch
Hillary Clinton kämpft gegen eine Mischung aus Schadenfreude, konservativem Bashing und Frauenfeindlichkeit. Chancen hat sie kaum noch.
Bernd Pickert ist Auslandsredakteur der taz - im tazblog kommentiert er kontinuierlich den Vorwahlkampf.
Es ist zu früh, Hillary Clinton politisch abzuschreiben. Aber näher am politischen Misserfolg als jetzt war Clinton nie, seit die Gesundheitsreform, die sie im Auftrag ihres Mannes 1993 ausgearbeitet hatte, im US-Kongress gescheitert ist. Vor allem die öffentliche Stimmung hat sich gegen sie gewandt. Hillary kämpft gegen eine Mischung aus Schadenfreude, konservativem Clinton-Bashing, Frauenfeindlichkeit und medialer Lust am Siegesrausch ihres Rivalen Barack Obama.
Der scheint im Moment unaufhaltsam. Dass Obama am Dienstag am Potomac gewinnen würde, also bei den Vorwahlen in Virginia, Maryland und Washington D.C., hatten die Umfragen angekündigt - die Mehrheiten aber, die Obama in allen WählerInnengruppen auf sich versammeln konnte, sind beeindruckend.
Einzig unter weißen Frauen konnte Clinton noch einen dünnen Vorsprung behaupten. Das ist schon kein "momentum" mehr, kein Vorwärtsdrall - das ist ein Durchmarsch. Die WählerInnen wollen jetzt endlich irgendjemandem zum Sieg verhelfen, und wer noch an Obama gezweifelt hat, schwenkt allein deshalb zu ihm über.
Erste Frau oder erster Schwarzer im Weißen Haus - von diesen zwei märchenhaften historischen Erfolgsgeschichten kann nur eine Wirklichkeit werden. Nach über der Hälfte der Strecke sieht alles danach aus, als ob die weibliche Eroberung des Präsidentenamtes noch auf sich warten ließe. Clinton hat zwar noch Möglichkeiten, die Niederlage hinauszuzögern - doch die meisten davon wären fatal für die Demokraten und würden nur einem nutzen: dem Republikaner John McCain.
Tatsächlich besteht noch die realistische Möglichkeit, durch Erdrutschsiege in den großen Staaten Ohio und Texas am 4. März das Ruder herumzureißen. Wahrscheinlich erscheint das derzeit nicht. Wenn sie es nicht schafft, gibt es keine mit politischer Legitimität ausgestattete Möglichkeit mehr auf die Nominierung. Dann könnte sie sich selbst und ihrer Partei einen Riesengefallen tun: Ganz schnell ihre Niederlage einräumen. Das wäre mal eine echte Überraschung.
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