Kommentar Tory-Parteitag: Theresa May zeigt Galgenhumor
Alles super? Das entspricht nicht der Realität. Beim nächsten Parteitag wird Theresa May weder Premierministerin noch Parteichefin sein.
Z umindest ihren Humor hat sie noch nicht verloren. Oder ist es Galgenhumor? Theresa May sagte am Sonntag zu Beginn des Tory-Parteitags in Manchester in einem BBC-Interview, sie bleibe „langfristig Parteichefin“, ihr Kabinett stehe hinter ihr, und Außenminister Boris Johnson stimme mit ihr in Sachen Brexit vollkommen überein.
Nichts davon entspricht der Realität. Die Kabinettsmitglieder wetzen bereits die Messer, auf die Frage nach ihrer Loyalität zu May verweigern immer mehr die Antwort, zuletzt Staatssekretär Sajid Javid, der am Samstag mitten im Gespräch aufsprang und erklärte, er habe keine Zeit mehr.
Und Boris Johnson, der vor zwei Wochen seinen eigenen Brexit-Plan aufgestellt hatte, legte jetzt erneut eigenmächtig Forderungen in dieser Sache vor, die mit Mays Vorstellungen wenig gemein haben. Er kokettiert offenbar damit, dass May ihn aus dem Amt wirft, so dass er in Ruhe seine Kandidatur gegen sie vorbereiten kann.
Selbst mit der Queen hat sie es sich verscherzt. Wie erst am Wochenende bekannt wurde, stand May nach den Wahlen, bei denen sie im Juni die absolute Mehrheit vergeigt hatte, weinend im Buckingham-Palast, versicherte der Königin aber, dass sie die nordirischen Loyalisten ins Boot geholt habe.
Das war gelogen, denn die zierten sich noch zwei Wochen lang. Elisabeth musste deshalb ihre Rede zur Parlamentseröffnung verschieben und auf den Besuch ihres geliebten Pferderennens in Ascot verzichten. Das hätte ihr nicht mal Labour-Chef Jeremy Corbyn zugemutet. Er ist Premierminister in Wartestellung, laut Umfragen liegen die Tories nur noch bei den über 65-Jährigen vorne.
Beim nächsten Tory-Parteitag wird May weder Premierministerin noch Parteichefin sein, und wenn die Tories schlau sind, rufen sie auch Parlamentswahlen aus. Dann hätte Corbyn die Verhandlungen um den Ausstieg aus der EU am Hals, und seine Partei ist bei diesem Thema ebenso zerstritten wie die Tories.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Neue EU-Kommission
Es ist ein Skandal
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative