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Kommentar Tibet-PolitikDalai Lama und deutsche Interessen

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Unionspolitiker drängen sich nach Fototerminen mit dem Dalai Lama, SPD-Politiker halten Distanz. Doch glaubwürdig ist auch die Außenpolitik der Kanzlerin nicht.

Bild: taz

Stefan Reinecke ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.

Der Dalai Lama kommt heute nach Deutschland. Und während sich Unionspolitiker nach Fototerminen mit ihm drängeln, halten SPD-Politiker lieber Distanz. Ist das ein Indiz für einen ideologischen Zwist? Stehen hier auf konservativer Seite aufrechte Kämpfer für Menschenrechte gegen sture Sozialdemokraten, die sich partout nicht von ihrer alten Ostpolitik-Maxime vom "Wandel durch Annäherung" trennen können? So scheint es.

In der Tat empfing Angela Merkel ohne Rücksicht auf die aufstrebende Weltmacht China im vergangenen Jahr den Dalai Lama. Dies war eine Geste, die zu beweisen schien, dass Menschenrechte in der deutschen Außenpolitik wieder etwas gelten, seit Merkel regiert. Doch so einfach, wie es aussieht, ist es nicht. Manches ist auch schlicht dem Job geschuldet. Außenminister Frank-Walter Steinmeier ist fürs Verbindliche und die Realpolitik zuständig - selbst ein Tibet-Lobbyist wie Roland Koch müsste, wäre er in diesem Amt, andere Töne anschlagen.

Außerdem orientiert sich auch Merkels Außenpolitik an deutschen Interessen - das sieht man mit Blick auf Russland. Vor allem aber hat Merkels Begeisterung für die Menschenrechte ziemlich enge ideologische Grenzen. Derzeit reist die Kanzlerin durch Lateinamerika und macht dabei - außer dem wirtschaftlich wichtigen Brasilien - demonstrativ einen Bogen um links regierte Demokratien. Kein Besuch in Uruguay, Chile, Bolivien, Ecuador oder Argentinien. Dafür beglückt Merkel die reaktionäre Regierung in Kolumbien mit ihrer Anwesenheit. Offenbar müssen Länder von autoritären Rechten regiert werden, neoliberal sowie US-hörig sein, um auf eine Visite der Kanzlerin hoffen zu dürfen. Dabei hat die Latino-Linke die Lage von Menschenrechten und Armen vielfach verbessert.

Mit ihrer Reise knüpft Merkel an die trübsten außenpolitischen Traditionen der Union an. Mag sein, dass ihr außenpolitischer Stil angenehmer wirkt als Schröders hemdsärmelige Interessenpolitik. Doch glaubwürdig ist eine Außenpolitik, die sich Demokratie und Menschenrechten auf die Fahne schreibt, nur, wenn sie diese Ziele überall verfolgt. Und nicht nur da, wo es politisch passt. Oder wo die meisten TV-Kameras stehen.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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4 Kommentare

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  • JC
    Jean-claude cornelis

    Warum sollte Merkel und Konsorten den opportunen- wohl bequemen, von der USA gestrickten Mantel ablegen, um Uruguay, Chile, Bolivien, Ecuador oder Argentinien zu besuchen... und warum werden nur die Autoritären - durch CIA, BND, etc. eingesetzte - Regierungen "beglückt"? ... Wir verdienen doch so viel, am Drogen- et Waffen Im- und Export....

     

    Hegels Dialektik des "Lasse zwei Köter um den Knochen ringen, damit du dich am Fleische bereichern kannst" wurde doch freudigst von der westlichen Welt übernommen und "ad absurdum" belebt!

  • ME
    Maria Eugenia Chavez

    Ihren Kommentar hier eingeben Die Erste Auslandsreise des Außenministers Steinmeier führte im Mai 2006 nach Chile, um Leopard Panzer im Wert von 800 Millionen zu überreichen. (Auf leisen Pfoten nach Santiago). Sozialdemokratische Realpolitik, die erahnen lässt was die SPD vor sich hat.

  • WS
    wolfgang sukowsky

    Na, so ganz bin ich mit diesem Kommentar nicht einverstanden. Die Merkel hat doch gegen China Flagge gezeigt und das gegen unsere wirtschaftlichen Interessen. Der Steinmeier mußte dann mühsam den klaffenden Riß am Wirtschaftsdukatensack zu nähen.-- In Latainamerika haben die links regierten Länder meistens wirschaftlichen Chaos produziert, denn da wo es keine juristische Rechtssicherheit gibt, geht es den armen Menschen noch schlechter. Wir meinen unsere westlichen demokratischen Regierungsformen sind das Allheilmittel. Leider bedarf es hier auch immer einer kräftigen ehrlichen Ordnungshand. Seit Humbolds Entdeckungsreise ist es damit nicht viel besser geworden.

  • BW
    Berno Wies

    S.Reinecke hat Recht mit seiner Einschätzung, daß Frau Merkels außenpolitisches Schwadronieren in

    der wohlbekannten Tradition christdemokratischer

    Außenpolitik steht.Nicht zufällig zählten seinerzeit

    F.J.Strauß und Bruno Heck als damaliger Generalse-

    kretär der CDU zu den ersten gratulierenden Gästen

    in Chile nach Pinochets blutigem Putsch gegen Prä-

    sident S.Allende.Es spricht für sich, daß dies fast

    der gesamten übrigen überregionalen bundesdeutschen

    Journaille keine Zeile wert zu sein scheint.