Kommentar Thüringen: Ineinander verbissen
Beim zentralen Punkt ihres Wahlprogramms, der Bildung, hätte die SPD in Thüringen mit Linken und Grünen weit mehr herausholen können.
N ach der Entscheidung für eine Koalition mit der CDU in Thüringen hielten sozialdemokratische Gegner von Schwarz-Rot ihrer Parteiführung bissige Zitate aus Landtagsdebatten vor, mit denen sich Union und SPD gegenseitig zuballerten - vom Wahlkampf ganz zu schweigen. Nun wollen die Gegner von einst gemeinsam Thüringen regieren.
Das Überlaufen der Matschie-SPD zur Lieberknecht-CDU musste dabei auf groteske Weise mit fehlendem Vertrauen zu längst bekannten Personen der Linken und der Grünen begründet werden. Denn an inhaltlichen Differenzen kann ein Linksbündnis nicht gescheitert sein.
Nach Einsicht in den Koalitionsvertrag fragt man sich vielmehr, welche Ziele die Sozis mit Sozialisten und Grünen eigentlich nicht hätten durchsetzen können. Der klassische Vorwurf einer unseriösen Finanzpolitik der Linken ist mit der Koalitionsoption auf eine drastische Neuverschuldung entkräftet. Beim zentralen Punkt ihres Wahlprogramms, der Bildung, hätte die SPD mit Linken und Grünen weit mehr herausholen können. Der nun möglichen Gemeinschaftsschule könnte es ebenso ergehen wie der bereits im Schulgesetz verankerten Gesamtschule, von der keine Einzige eröffnet wurde. Ähnliches gilt für die Gebiets- und Funktionalreform, für die die Linke ebenfalls vehement eintrat. Knackpunkte bei der Kinderbetreuung und bei der Polizeireform wären mit der Linken nicht auf 2010 verschoben worden, die SPD hätte ihre Mindestlöhne bekommen.
Bei Studiengebühren oder in der Nachhaltigkeits- und Umweltpolitik konnte die SPD dagegen Achtungserfolge erzielen. Sie war schließlich als Königsmacher begehrt. Das wird sich schnell ändern, wenn auf Schwarz-Rot in Thüringen Belastungen zukommen. Dann wird die SPD erpressbar - denn nichts muss sie derzeit mehr fürchten als Neuwahlen.
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