piwik no script img

Kommentar TerrorwarnungDeutschland bleibt cool

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Unglücklicherweise spricht einiges dafür, dass an der Terrorgefahr etwas dran sein könnte. Deshalb blieb dem Innenminister gar nichts anderes übrig, als an die Öffentlichkeit zu gehen.

D ie Bundesregierung warnt vor einem terroristischen Anschlag. Schon blühen die Spekulationen, was die wahren Gründe für die dramatischen Worte sein könnten. Will die Bundesregierung damit weitere, noch schärfere Sicherheitsgesetze durchsetzen? Nimmt sie dafür in Kauf, Muslime in diesem Land als potenzielle Terroristen zu stigmatisieren? Greift die Regierung Merkel gar angesichts schlechter Umfragewerte zum letzten Strohhalm, um ihre eigene Popularität aufzuwerten, indem sie einen äußeren Feind herbeiredet?

taz

KLAUS HILLENBRAND ist Chef vom Dienst der taz.

Es gibt bisher keinerlei Anzeichen dafür, dass diese oder ähnliche Spekulationen mehr sind als billige Verschwörungstheorien von Zeitgenossen, die alles schon immer besser wussten. Denn dem Innenminister muss attestiert werden, dass er seine Warnung eben nicht mit Worten der ideologischen Mobilmachung begleitet. Einige Gernegroß-Politiker aus der zweiten Reihe mögen die Angelegenheit nutzen, um mit scharfen Sprüchen ihre Reputation aufzubessern. Thomas de Maizière hingegen hat die Bürger lediglich darum gebeten, das Alltagsleben so fortzuführen wie gehabt. Das ist das Gegenteil von Hysterie.

Ob die Terrorwarnung selbst nun gerechtfertigt ist oder nicht, kann derzeit niemand beurteilen, weil die Fakten geheim sind. Unglücklicherweise spricht einiges dafür, dass an der Gefahr etwas dran sein könnte. Deshalb blieb dem Innenminister gar nichts anderes übrig, als an die Öffentlichkeit zu gehen. Hätte er die Warnung unterlassen, wäre de Maizière im Falle eines Anschlags zu Recht Versagen vorgeworfen worden. Hätte er eine verstärkte Polizeipräsenz angeordnet, ohne sie zu begründen, wären die Spekulationen erst recht ins Kraut geschossen. Und schließlich verweisen Polizeiexperten darauf, dass die Warnung auch dazu dienen könnte, potenzielle Attentäter aufzuschrecken.

Deutschland hat sich - oberflächlich betrachtet - seit der Warnung vom Mittwoch nicht verändert. Niemand bläst ernsthaft zur Hatz auf Muslime. Kein Bürger wurde präventiv in Haft genommen. Ob wer wann und in welchem Ausmaß ohne triftigen Grund gerade abgehört wird, entzieht sich freilich unserer Kenntnis. Ob es bei der entspannten Stimmung bleibt, wissen wir auch nicht. Wie die Deutschen aber auf einen großen Anschlag reagieren würden, wenn er denn durchgeführt würde, möchten wir uns lieber gar nicht vorstellen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • CV
    Chefin vom Hof

    Terrorwarnung oder doch eher Terrordrohung unserer Innenminister? Egal, wird nicht thematisiert. Der Chef vom Dienst Hillenbrand gibt sich derweil wachsweich, will nichts gerochen haben und schreibt Kommentar drüber.

     

    Da lobe ich mir doch den SWR, die sind wenigstens offen Teil der Inszenierung:

     

    "Was Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der Bürger angeht, sollten wir uns an den USA orientieren. Telefonüberwachung, Onlinedurchsuchung, Datenspeicherung und ab und zu ein Fingerabdruck, das ist kein Teufelszeug. Wer das nicht will, kann sich ja zuhause hinter dem Ofen verkriechen."

    (Rainald Becker in den tagesthemen vom 18.11.2010)

     

    http://ptrace.fefe.de/rainald-becker.html

  • A
    Amos

    Wer glaubt denn noch an das Gewäsch der Politik? Geht es nicht darum die Menschen hier in diesem Land strenger bewachen zu können und ihre Daten zu speichern? Daher wird Angst geschürt um eine Rechtfertigung für die Datenspeicherung zu haben.

    Wenn man eine Politik macht, die sich gegen den großen Teil der Bevölkerung richtet und nur die Aktionäre und Ausbeuter reich macht, muss man mit dem schlimmsten rechnen-,und daher erst einmal angst schüren um eine Rechtfertigung zur Überwachung zu bekommen. Man sollte damit aufhören andere Nationen in die "Wertegemeinschaft" des westlichen Kapitalismus zwingen zu wollen. Es gibt auch noch Menschen, die nicht nur für Energie-Konzerne und gekaufte Sozis arbeiten wollen.

  • S
    stabil

    Ich würde im Fall des Falles gelassen bleiben - so wie jetzt.

    Ob mal alle paar Jahre irgendwo eine Gasleitung leckt und ein Haus in die Luft hebt oder ein Durchgeknallter eine Bombe zündet - man sollte es als Unfall betrachten. Da hat Prof. Münkler schon die richtige Einstellung.

  • B
    Beobachter

    Wer nun Besserwisser ist, können Sie genauso wenig sagen. Und ob die Infos, die Maziere erhält, glaubwürdig sind.

     

    NEU wäre es nicht, dass man Terror verbreitet, um Stimmung zu erzeugen.

     

    Ich traue den Geheimdienstkreisen inzwischen JEDE Schweinerei zu.

     

    Und wer davor (vor der pot. Skrupellosigkeit bestimmter mit uns verbündeter Geheimdienste) die Augen verschließt ist ein Besserwisser und Naivling.

     

    Es gibt zwar sicher genügend Radikale, die solche Anschläge durchführen würden, aber die andere Variante (wie sonst soll man anhaltende und neu geplante Kriege im Nahen- und Mittleren Osten einer unwilligen Bevölkerung plausibel machen) ist auch absolut im Bereich des Möglichen, werter Herr Schmidt!

  • TD
    Tyler Durden

    "Die Lage ist schwer durchschaubar", formulierte es ein anderer hochrangiger Beamter vorsichtiger. "Aber es scheint etwas im Gange zu sein."

     

    Falls es den Herren Schwierigkeiten bereitet zu verstehen, was denn da "im Gange ist", dann sollten sie sich vertrauensvoll an mich wenden. Ich würde sie dann daran erinnern, dass sich die Armee dieses Landes in Afghanistan befindet und dabei dort in einem sinnlosen Krieg, völlig sinnloserweise,

    jede Menge Zivilisten getötet hat.

    Sollte es in Deutschland tatsächlich jemals einen Anschlag geben, so wäre es für den Rest des Volkes angebracht, diejenigen, die durch ihre fahrlässigen, möglicherweise kriminellen, kurzsichtig politischen Entscheidungen diesen ja unzweifelhaft mitverursacht haben, für dessen Konsequenzen zur Vernatwortung zu ziehen.

  • S
    swilly

    Herr Hillenbrand,

    warum wird im Zusammenhang mit der Terrorwarnung nun wieder gebetsmühlenartig von den üblichen Verdächtigen die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung gefordert?

  • T
    Timocracy

    Na klar doch, liebe Sicherheitsexperten. Macht Euch mal nicht zu viel Sorgen um Uns. Wir bleiben da ganz ruhig und verlassen Uns instinktiv darauf, dass Ihr Euch aufopfernd und rechtzeitig auf die nächste Bombe werfen werdet.

  • D
    David

    "Unglücklicherweise spricht einiges dafür, dass an der Gefahr etwas dran sein könnte"

     

    Und warum hat der Kommentierende dann nicht die Güte, uns konkret zu benennen, was den für die Substanz dieser Terrorwarnung spricht?

     

    Wir werden ja sehen, was am Ende an überprüfbaren Fakten auf dem Tisch liegt. Und nach Dutzenden von Terrorwarnungen irgendwann einmal einsehen, wer hier die "Verschwörungstheoretiker" sind.

     

    Bis jetzt ist es wie immer nur heiße Luft, und die Gefahr für Leib und Leben durch Terroranschläge in Deutschland ist immer noch vielleicht um ein Zehntausendstel so groß wie das Überqueren einer Straße.

     

    Aber bitte: Immer schön das Terrorlied mitsingen, und sich brav seriös dabei geben.