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Kommentar TeleskopschlagstockWaffe am falschen Ort

Friederike Gräff
Kommentar von Friederike Gräff

Der Nutzen und die Tauglichkeit eines Instruments, das nicht nur Polizeibeamte täglich mit sich führen, sollte transparent sein.

D er Teleskopschlagstock schließe die Lücke zwischen Pfefferspray und Schusswaffe, sagte Hamburgs Innensenator Ahlhaus (CDU), als er ihn der Öffentlichkeit präsentierte. Das klingt erst einmal schlüssig: Es gibt Situationen, in denen Pfefferspray wenig ausrichtet, Schusswaffengebrauch aber völlig unangemessen ist. Rund eine Million will die Hamburger Polizei bis 2013 für den Nachfolger des Gummiknüppels ausgeben.

Nicht allein die Höhe dieser Ausgabe macht schwer verständlich, warum die Polizei die Erfahrungen mit dieser Waffe nicht evaluiert. Die Tauglichkeit eines Instruments, das nicht nur alle Streifenpolizisten der Stadt, die Polizisten im Verkehrsdienst und Objektschutz sowie die Kriminalbeamten täglich mit sich führen, sollte transparent sein. Zumal Kritiker darauf verweisen, dass im Vorfeld versäumt wurde, unabhängige Experten zu möglichen Verletzungen durch den Teleskop-Einsatzstock zu hören.

Vor diesem Hintergrund erscheint es um so erstaunlicher, die Mitarbeiter des behördlichen Ordnungsdienstes damit auszustatten. Bislang ist glücklicherweise nichts von Übergriffen auf Knöllchenschreiber bekannt. Wozu, bitte, braucht ein Behördenmitarbeiter, der sich nicht verteidigen muss, eine Waffe? Vertrauensbildend ist das nicht. Sondern Geldverschwendung.

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Friederike Gräff
Redakteurin taz nord
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4 Kommentare

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  • DT
    Dr.med. Thomas Leske

    Dem guten alten Gummiknüppel möchte man nun fast nachtrauern, aber vergessen wir nicht, er war auch tückisch! Denn er schmiegte sich zwar elastisch dem Kopf des Schlagopfers an, übertrug aber gerade deswegen die Wucht des Schlages fast vollständig auf diesen. Schädelbrüche wurden beinahe vermieden, aber schwere Gehirnerschütterungen bis hin zu Quetschungen des Gehirns wurden verursacht: sozusagen unter „der Schale" der im Artikel erwähnten „Kokosnuss“, die nun mit dem neuen EKA (nach Polizeiaussagen) ohne weiteres „zerschmettert“ werden könne. Da möchte man beinahe den nicht so alten und schon gar nicht „guten“ Tonfa den Vorzug geben, der uns ja auch erhalten bleiben wird.

    Dass eine solche Überlegung nicht abwegig ist, ergibt sich aus Folgendem: Während der Tonfa eine Verlängerung des Unterarms darstellt, mit diesem aber bei dem Einsatz fest verbunden bleibt und so bezüglich des Krafteinsatzes relativ gut gesteuert werden kann, handelt es sich bei dem EKA um eine reine Hiebwaffe, mit der wie mit einem stumpfen Schwert zugeschlagen wird. Deutlich zu sehen auf dem Video über den Vorfall in Neuwiedenthal!

     

    http://www.youtube.com/watch?v=7VS6-BTh46c&has_verified=1

     

    Man muss sich nur vorstellen, dass einer der weit ausholenden Schläge mit voller Wucht den Kopf des Opfers getroffen hätte! Bei einem solchen Schlag mit einem starren Stahlrohr (denn nichts anderes ist der Teleskop – Schlagstock!) splittern die Schädelknochen unter der Kopfhaut und innerhalb Minuten blutet es aus den Bruchflächen. Es kommt zu dem, was wir Ärzte eine „epidurale Blutung“ nennen und besonders fürchten, weil diese innerhalb kürzester Zeit so stark werden kann, dass das Gehirn, das in seiner „Schale“ fest eingeschlossen ist, massiv unter Druck gerät – mit möglicherweise tödlichen Folgen.

     

    Alles dies zu Grunde gelegt, ist es nicht nach vollziehbar, warum jeder Polizeibeamte und jeder Beamte vom behördlichen Ordnungsdienst mit dieser „modernen“ potentiell tödlicheren Waffe als die bisher bekannten für den Einsatz ausgerüstet werden soll.

     

    Dass die Einführung des EKA in der Amtszeit von Herrn Ahlhaus als Innensenator erfolgte, wundert mich nicht. Er stellt für mich ohnehin eine Gefahr für die innere Sicherheit in dieser Stadt dar, ob nun als Oberkommandierender der Polizeikräfte (in welcher Rolle er sich gefiel) oder als Bürgermeister!

     

    Frau Antje Möller von der GAL, die nun erstmal abwarten will, ob es zu „schweren Verletzungen kommt“ und dann „den Einsatz überprüfen“ lassen will, schlage ich vor, schon morgen ihr Frühstücksei mit einer Serviette zu bedecken, dann mit dem Messerrücken anzuschlagen und dabei zu beobachten, was passiert. Sie wird schon allein durch einen solchen einfachen Versuch erkennen, dass die schweren Verletzungen durch den EKA unvermeidbar eintreten werden und ein weiteres, dem Koalitionsfrieden geschuldetes abwartendes Verhalten der GAL in dieser Frage unverantwortlich wäre!

     

    Dr.med. Thomas Leske

  • K
    Klaus

    Wozu, bitte, braucht ein Behördenmitarbeiter, der sich nicht verteidigen muss, eine Waffe?

     

     

    Also das nenne ich doch mal erfrischend naiv!

  • K
    Klaus

    "Bislang ist glücklicherweise nichts von Übergriffen auf Knöllchenschreiber bekannt."

     

    Oh Friederike! Hab dem Ordnungsamt in Deinem Namen eine Nachricht geschrieben, das Du sie gerne mal begleiten würdest.

  • AB
    Arne Babenhauserheide

    Selbst wenn sich ein Knöllchenschreiber verteidigen muss, wird ihm der Schlagstock nichts helfen.

     

    Wenn ein Polizist mit einem Gummiknüppel auf einen Zivilisten einschlägt, wird der sich kaum mit letalen Mitteln wehren. Die Gefahr, den Polizisten schwer zu verletzen und dafür heftige Strafen zu kassieren ist größer als die Gefahr, selbst verletzt zu werden.

     

    Wenn die Polizisten aber eine potenziell tödliche Waffe verwenden, sieht die Rechnung ganz anders aus. Dann geht es nämlich um Leib und Leben, wenn ein Polizist zuschlägt.

     

    Die Polizei schützt sich damit nicht, sondern erhöht nur das eigene Risiko, weil sie den Grad der Gewalt, der für sie akzeptabel ist, erhöht. Und wie man in den Wald ruft…

     

    Wenn es um die Ausziehbarkeit geht, hätten sie eine Version suchen können, die „nur“ ein ähnliches Verletzungsrisiko birgt wie ein Gummiknüppel. So ist das Kontraproduktiv und gefährdet langfristig die eigenen Kollegen.