piwik no script img

Kommentar Tarifstreit TageszeitungenEin wichtiges Signal

Kommentar von Steffen Grimberg

Die Mobilisierung hat gewirkt. Der Tarifabschluss für Tageszeitungs-Redakteure verhindert eine weitere Zementierung der journalistischen Klassengesellschaft.

D er Tarifabschluss für Tageszeitungs-Redakteure ist ein wichtiges Signal für Journalistengewerkschaften und Verleger. Noch im vergangenen Jahr machte man sich beim Deutschen Journalistenverband (DJV) wie bei Verdi ganz handfeste Sorgen darüber, ob man angesichts der angespannten Lage in vielen Häusern überhaupt noch die eigenen Mitglieder mobilisieren könnte. Die zahlreichen Warnstreiks und die resultierenden dünneren Blätter haben nun gezeigt: Man kann.

Das war – und ist – keine Selbstverständlichkeit in einer Branche, die seit Jahren eigentlich schon eine Mehrklassen-Gesellschaft von Journalistinnen ist: hier die festangestellten Redakteure mit Tarifeinkommen, dort die nach abgesenkten Haustarifen oder als Leiharbeiter Bezahlten. Und schließlich die Freien, die bislang die Hauptlast des medialen Wandels zu zahlen hatten.

Vor allem, das „Tarifwerk 2“, das die Verleger ursprünglich gefordert hatten, ist nun bis 2013 vom Tisch. Der Plan, Berufseinsteigern in den ersten Redakteursjahren deutlich weniger zu zahlen, hätte die journalistische Klassengesellschaft noch deutlicher zementiert.

Bild: taz
Steffen Grimberg

ist Autor der taz.

Auch für die Verleger, vor allem ihren Bundesverband, ist der Abschluss ein Erfolg. Denn ohne ihn wäre wohl Schluss mit einem einheitlichen Tarifwerk für ganz Deutschland, so löchrig es auch sein mag. Mehrere Landesverbände der Verlage hatten im Vorfeld unmissverständlich klar gemacht, dass sie am liebsten nur noch für ihre Region allein agieren würden. Doch das wäre angesichts der Herausforderungen für die Zeitungsbranche, denen sich die Herren der Presse hierzulande ohnehin nur viel zu zaghaft und zögerlich stellen, fatal.

Ganz nebenbei zeigt der Abschluss auch, dass es der Presse insgesamt eben doch gar nicht so schlecht geht, wie das manche Verlage mit düsteren Andeutungen behaupten. Wenn den deutschen Verlegern die sehr deutsche Lust am eigenen Untergang durch die Warnstreiks und das jetzt erzielte Verhandlungsergebnis etwas vergangen sein sollte, wäre das für alle Beteiligten ein echter Fortschritt.

Trotzdem bleibt ein Hauptproblem – die Verlage, die den neuen Tarif wirklich anwenden, sind längst nicht mehr in der Mehrheit. Viele Häuser sind nur noch „oT“, ohne Tarifbindung Mitglied im Verband – und zahlen nach individuellen Haustarifen. Diese sind, wen wunderts, bis auf ein paar ruhmreiche Ausnahmen eher mal schlechter als der Flächentarifvertrag.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • SS
    St. Sanctimonious

    "Trotzdem bleibt ein Hauptproblem – die Verlage, die den neuen Tarif wirklich anwenden, sind längst nicht mehr in der Mehrheit. Viele Häuser sind nur noch „oT“, ohne Tarifbindung Mitglied im Verband – und zahlen nach individuellen Haustarifen. Diese sind, wen wunderts, bis auf ein paar ruhmreiche Ausnahmen eher mal schlechter als der Flächentarifvertrag."

     

    Ach wirklich? Und das wird ausgerechnet von der taz angeprangert? Man höre und staune!

    Gerade die taz ist es doch, die ganz gewaltig "oT" ist.

    Wieviel Prozent unter Tarif liegt ihr doch gleich?

    Ist es nicht vielleicht ausgesprochen scheinheilig, andere für eine Praxis zu kritisieren, die man selbst in drastischster Form ausübt?