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Kommentar Tamilen-ProtesteDiplomatisch, aber gefährlich

Kommentar von Christian Semler

Bei den Gleis- und Autobahnblockaden der Tamilen hielt sich die Polizei an die Grundregeln im Umgang mit zivilen Widerstandsformen. Dafür droht den Protestlern nun die Ausweisung.

Die Blockadeaktionen tamilischer Demonstranten vom Sonntag zeigen erfreuliche Lernfortschritte bei der Polizei.

Eigentlich hätten die Einsatzkräfte bei der Schienenblockade auf dem Frankfurter Hauptbahnhof sowie bei der Autobahnblockade bei Düsseldorf die Blockierer umstandslos und gewaltsam abräumen können. Für ein solches rabiates Vorgehen gab es polizeiliche Vorbilder, zum Beispiel bei Blockadedemos der Kurden. Stattdessen verhandelte die Polizei und erreichte - nach zwei Stunden - den freiwilligen Abzug der Demonstranten. Damit respektierten die Einsatzkräfte eine Grundregel für den Umgang mit zivilen Widerstandsaktionen: Gelegenheit zum Protest geben, verhandeln, die Aktion friedlich beenden.

Allerdings hat dieses positive Ergebnis einen Pferdefuß. Eine weitere Grundregel des zivilen Ungehorsams besagt, dass der Gesetzesverletzer die anschließende Strafe annimmt. Diese sollte allerdings - dem legitimen Anliegen des Gesetzesbrechers folgend - eher symbolischen Charakter tragen. Gerade diese Spielregel aber wurde im Fall der tamilischen Blockierer in ihr Gegenteil verkehrt. Denn auf die erfolgte Feststellung der Personalien folgt keine symbolische Strafe, sondern es dräut der Paragraf 54 des Aufenthaltsgesetzes. Dieser besagt, dass auch bei Vorliegen einer gültigen Aufenthaltsgenehmigung bereits die bloße Teilnahme an einer illegalen Demonstration Grund für eine Ausweisung sein kann.

Verschärft werden könnte diese Sachlage zudem, wenn seitens der Sicherheitsorgane festgestellt wird, dass an den Blockadeaktionen die Auslandsorganisation der Tamil Tigers (LTTE) führend beteiligt gewesen wäre. Diese Organisation steht auf der Terrorliste der Europäischen Union. In diesem Fall ginge die Abschiebung der tamilischen Demonstranten ruck, zuck über die Bühne. Wachsamkeit, dass das nicht passiert, ist also weiterhin Bürgerpflicht.

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2 Kommentare

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  • S
    Schlegel

    Was hat das denn mit "zivilem Ungehorsam" zu tun, wenn man als Sympathiekundgebung für einen diktatorischen Schlächter tauschende Menschen behindert und auf den Autobahnen gefährdet. Dass es hier um das Leid der Zivilbevölkerung geht war doch nur vorgeschoben; auf den Kundgebungen konnte man ganz andere Töne hören.

     

    Und es fällt mir auch schwer, mit den Mitgliedern der Auslandsorganisation der Tamil Tigers (LTTE) Mitleid zu haben. Bürgerplicht sollte hier eher eine Wachsamkeit dahingehend sein, dass solche Subjekte nicht wieder den Terror hier oder in Sri Lanka fördern.

  • WD
    Winfried Dinter

    Mensch, Christian,

     

    wie bist Du zahm geworden!

    Na na, damals in Berlin war es schon ziemlich

    chaotisch. Aber trotzdem: nicht a l l e s aufgeben.

     

    Winfried, in den 70er Jahren beim KSV Berlin.