Kommentar Tablets in der Schule: Später einschulen
Tablets haben im Unterricht nichts zu suchen. Denn ob sie beim derzeitigen Stand der Technik überhaupt pädagogisch wertvoll sind, ist völlig unklar.
T ablets sind keine zwei Jahre alt und waren bisher das Spielzeug vor allem von Technikfans und Journalisten. Nun fangen sie an, auch im Alltag beliebter zu werden, und schon sollen alle Kinder möglichst früh den Umgang damit lernen.
Ausgerechnet in Schulen, wo die neuesten Forschungsergebnisse erst nach jahrelanger Verzögerung in die Lehrpläne einfließen, soll eine Technologie eingeführt werden, die noch in ihren Kinderschuhen steckt. Schon aus den Forderungen von Lehrern und Bürokraten hört man heraus, dass es ihnen nicht wirklich um Pädagogik geht, sondern dass sie von der neuen Technik fasziniert sind.
Die Gefahr ist, dass sie sich als vermeintlich neutrale und unverdächtige PR-Leute für Konzerninteressen einspannen lassen. Schulen sind ein riesiger Markt und der Staat ist ein reicher Kunde: Es gibt die Möglichkeit, mehrere Millionen Geräte abzusetzen und zugleich Kinder schon früh an die neuen Geräte zu gewöhnen und an Markennamen zu binden. Dabei ist noch völlig unklar, ob Tablets als Hilfsmittel für das Lernen überhaupt taugen.
ist Redakteur bei taz.de.
Das Problem neuer Technologien brachte Bert Brecht in den 30er Jahren auf den Punkt. Über das Radio schrieb er: "Man hatte plötzlich die Möglichkeit, allen alles zu sagen, aber man hatte, wenn man es sich überlegte, nichts zu sagen. Und wer waren alle?" Genau das passiert zurzeit mit Tablets. Seit der Einführung des iPad im April 2010 arbeiten sich Hacker und Programmierer an dem Sinn des Geräts ab. Wie Bert Brecht haben sie die Ahnung, dass sie etwas Revolutionäres vor sich haben - und können sich erst ungefähr ausmalen, wozu es gut sein wird.
Schulen und Bildungsministerien sollten deshalb abwarten: So wie Computer und Handys werden Tablets in den kommenden Jahren besser werden und billiger. Dann werden sich auch sinnvolle Standardanwendungen etabliert haben. Bis dahin ist ihr Platz nicht im allgemeinen Unterricht, sondern unter experimentierfreudigen Schülern und Lehrern, die erst mal erproben, wozu sie das Gerät einsetzen könnten.
Gut möglich, dass Tablets wie Computer und Internet ihren Platz im Lernalltag finden. Möglich ist aber auch, dass sie wie Handys nur ablenken und stören - oder sich als vorübergehende technische Spielerei entpuppen. Auf alle Fälle gibt es keinen Grund zur Eile.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands