piwik no script img

Kommentar SüdafrikaIn der Bewegung erstarrt

Kommentar von Martina Schwikowski

Auf dem Parteitag zeigt sich, wie gespalten der ANC inzwischen ist: Zwischen zwei Kandidaten, zwei Lagern - und in der Frage, welche Rolle man im politischen System einnimmt.

D er ANC war immer eine pluralistische Organisation mit unterschiedlichen Fraktionen und Flügeln. Doch nun präsentiert er sich auf seinem Nationalkongress zum ersten Mal offen gespalten. Zwei Kandidaten ringen erbittert um die Parteispitze, Präsident Thabo Mbeki und sein Rivale Jacob Zuma. Darauf reduziert sich der Parteitag bislang. Von inhaltlichen Debatten um die künftige Politik für Südafrika ist wenig zu hören.

Wer die Wahl zum Vorsitzenden gewinnt, der sicherte sich damit bislang auch das Amt des Staatspräsidenten, das in zwei Jahren wieder zur Wahl steht. Doch in Südafrika ist nichts mehr wie bisher. Mbeki kann nicht noch einmal kandidieren. Und auch wenn sich Jacob Zuma als Sieger durchsetzen sollte, wäre seine Zukunft ungewiss. Denn die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn, um ihn wegen Korruption in Millionenhöhe vor Gericht anklagen zu können.

Dass Zuma trotzdem so viele Delegierte hinter sich weiß, zeigt mehr als nur das Missfallen gegenüber Thabo Mbeki, seiner Politik oder seinem Führungsstil. Es verweist auf ein tiefer gehendes Problem. Denn der ANC definiert sich immer noch als Befreiungsbewegung, nicht als politische Partei. Abweichende Meinungen und Kritik werden nur ungern toleriert, was nicht nur für den ANC ein gefährliches Zeichen ist. Südafrikas Demokratie steht damit auf dem Spiel. Auf dem Parteitag in Polokwane stellt sich auch die Frage, wo die Partei aufhört und der Staat beginnt. Viele sind dem ANC beigetreten, um ihre Karrieren zu befördern oder Geschäftsdeals zu sichern. Sie schielen auf Staatsjobs und Steuergelder. Damit ist dem ANC viel an politischem Elan verloren gegangen.

Der ANC muss endlich klären, wie es mit der Organisation weiter gehen soll. Die eigentliche Herausforderung liegt darin, ein moderneres Parteisystem zu akzeptieren, in dem individualistischer als bisher nach dem Kaderprinzip agiert werden kann. Das bedeutet auch, über eine stärkere Trennung der beiden Ämter - ANC-Präsident und Staatschef - nachzudenken. Von Zuma, der mit dem Revolutionssong "Bring mir mein Maschinengewehr" ins Rennen zieht, ist eine solche Initiative leider nicht zu erwarten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Auslandskorrespondentin Südafrika
Jahrgang 1960, lebt seit 1995 in Johannesburg, Südafrika. Sie ist TAZ-Korrespondentin für das südliche Afrika und freie Autorin für Zeitungen, Magazine sowie Buchverlage und arbeitet frei als TV-Produzentin und Medientrainerin in der Region.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!