Kommentar Sudan: Sudan braucht Selbstreinigung
Jetzt ist es endlich amtlich, dass Sudans Präsident die persönliche Verantwortung trägt für das, was im Namen des Staates in Darfur an Verbrechen geschehen ist.
E igentlich hatte der Internationale Strafgerichtshof gar keine Wahl: Hätten sich die Richter in Den Haag geweigert, Haftbefehl gegen Sudans Präsidenten Omar Hassan al-Bashir zu erlassen, wäre dies ein Freibrief für den Völkermord in Darfur gewesen, begleitet von unerträglichem Triumphgeheul in Khartum, der Hauptstadt des Sudans. Nun ist der Haftbefehl ergangen, und in Khartum wird erwartungsgemäß protestiert.
Dominic Johnson ist Afrika-Redakteur im Auslandsressort der taz.
Dass die Richter nun allerdings den Vorwurf des Völkermordes bewusst aus ihrem Haftbefehl herausgestrichen haben und damit dem zentralen Argument von Chefankläger Luis Moreno-Ocampo widersprechen, hinterlässt einen schalen Beigeschmack - so als ob hunderttausende von Toten, die in Darfur dem Vernichtungsfeldzug von Armee und regierungstreuen Milizen zum Opfer gefallen sind, irgendwie nicht ganz so schlimm wären wie ursprünglich angenommen.
Genozid hin oder her - eines ist nun immerhin amtlich: Sudans Präsident trägt die persönliche Verantwortung für das, was im Namen des Staates in Darfur an Verbrechen geschehen ist, und er ist dafür in vollem Ausmaß zur Verantwortung zu ziehen. Das ist wesentlich auch für die politische Diskussion innerhalb Sudans, die jetzt unweigerlich folgen wird. Denn damit ist der Ball nach Khartum zurückgespielt.
Die politische Klasse des Sudan muss sich nun überlegen, ob sie sich aus falsch verstandener nationaler Solidarität über Jahre hinaus an einen international als Kriegsverbrecher gesuchten Staatschef binden will - oder ob sie einen Neuanfang wagt, der eine Bewältigung der Staatskrise in Afrikas größtem Flächenstaat möglich macht.
Bald wird gewählt im Sudan, eine Volksabstimmung über die mögliche Abspaltung der Südhälfte des Landes steht vor der Tür, und der andauernde Konflikt in Darfur ist im Begriff, weitere Landesteile zu destabilisieren. Alle seriösen Politiker Sudans müssten nun ein Interesse daran haben, sich über eine demokratische Neuordnung ihres Landes Gedanken zu machen, bevor es im Innern zerfällt und weltpolitisch weiter ins Abseits gerät. Wenn diese Neuordnung gelingt, ist eine Auslieferung Bashirs nach Den Haag nur noch eine Formalität.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Experten warnen vor Trump-Zöllen
Höhere Inflation und abhängiger von den USA
Die Brennelementefabrik und Rosatom
Soll Lingen Außenstelle von Moskaus Atomindustrie werden?
Klimagipfel in Baku
Nachhaltige Tierhaltung ist eine Illusion