Kommentar Stuttgart 21: Die Konfrontation in Stuttgart bleibt
Das Ergebnis der Volksabstimmung zu S21 wird dafür sorgen, der Konfrontation die Unerbittlichkeit zu nehmen. Aber die Konfrontation selbst bleibt.
Wir werden jetzt umschalten von kritisch-ablehnend zu kritisch-konstruktiv", so Ministerpräsident Winfried Kretschmann nach der klaren Niederlage bei der Volksabstimmung zu Stuttgart 21. Bei ihm heißt "kritisch-konstruktiv", dass er als "Begleiter" ein scharfes Auge auf die Kostenentwicklung bei der Realisierung des Bahnhofsprojekts werfen will. Also: Kein Cent mehr Landesbeteiligung für Stuttgart 21 als bisher geplant.
Ist mit dem klaren Ergebnis der Volksabstimmung der Rechtsfrieden gesichert, den Heiner Geißler in seinem Schlichtungsversuch beschworen hatte? Stimmt es, dass die Gegner von Stuttgart 21 undemokratisch handeln, wenn sie das Ergebnis der Abstimmung nicht anerkennen?
Sicher wird dieses Ergebnis dafür sorgen, der Konfrontation die Unerbittlichkeit zu nehmen, die sie in der letzten Phase gekennzeichnet hat. Aber die Konfrontation selbst bleibt, Bahnchef Grube wird sein Projekt durchziehen und seine Gegner werden von ihren gut begründeten Positionen nicht abrücken. Sie werden sicher weiterargumentieren, weiterdemonstrieren, auch zu den Mitteln des zivilen Widerstands greifen. Denn dieser Widerstand richtet sich auch und gerade gegen Maßnahmen und Gesetze, die auf demokratischem Weg zustande gekommen sind, die aber von einer Minderheit aus ethisch nachvollziehbaren Gründen abgelehnt werden.
ist Autor der taz.
Die Volksabstimmung selbst ist trotz der Abstimmungsniederlage ein großer Schritt nach vorn in der Verwurzelung demokratischer Verfahrensweisen. Sie zeigt, dass trotz schriller Begleitmusik die Abstimmenden sich in ihrem Pro und Kontra von rationalen Erwartungen oder Befürchtungen leiten ließen, selbst wenn das Ergebnis vielen von uns nicht gefällt. Die Behauptung, dass ein reicher Reaktionär, wie im Fall des Schweizer Milliardärs Blocher geschehen, sich auch bei uns jederzeit eine Volksabstimmung durch das Schüren irrationaler Ängste quasi kaufen könne, entbehrt der Substanz.
Nichts spricht dafür, dass Volksabstimmungen stets angeheizten Emotionen und niemals der Vernunft folgen. Wer so denkt, misstraut im Grunde jedem direkten Ausdruck einer Volkssouveränität. Zweifellos wird die Stuttgarter Abstimmung die Diskussion über künftige Formen der partizipativen Demokratie begünstigen. Ein solches Ergebnis wäre gerade im Interesse der Linken.
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