Kommentar Stuttgart 21: Sturheit wird teuer
Die Kosten für Stuttgart 21 steigen und steigen. Doch Angela Merkel trägt alles mit – ihrem Image als Sparkanzlerin zum Trotz.
F ast könnte man Mitleid mit Angela Merkel haben: Da legt sich die Kanzlerin – entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit – bei einer strittigen Frage einmal so richtig eindeutig fest, indem sie 2010 erklärt, an Stuttgart 21 entscheide sich „die Zukunftsfähigkeit Deutschlands“. Und prompt wachsen die Probleme und Kosten in einem Ausmaß, dass selbst die glühendsten Befürworter mittlerweile an der Realisierbarkeit zweifeln.
Die gewaltige Kostensteigerung sorgt dafür, dass die Gegner des unterirdischen Bahnhofs derzeit ein leichtes Spiel haben. Die Landesregierung und die Stadt Stuttgart – beide unter grüner Führung – müssen das Projekt nicht aktiv infrage stellen. Es langt, dass sie die Bahn einfach auflaufen lassen und eine Beteiligung an den Mehrkosten verweigern.
Selbst wenn der Staatskonzern die zusätzlichen Kosten angesichts seines erwarteten Milliardengewinns möglicherweise sogar selbst tragen könnte, wachsen auch dort die Vorbehalte. Denn erstens ist nicht davon auszugehen, dass die jüngst bekannt gewordenen 2,3 Milliarden Euro der letzte Mehrpreis sein werden. Zum anderen setzen sich die Aufsichtsratsmitglieder auch einem rechtlichen Risiko aus, wenn sie ein Projekt durchdrücken, dessen Unwirtschaftlichkeit bereits feststeht.
ist Parlamentskorrespondent der taz mit Schwerpunkt Wirtschaft und Umwelt. Er twittert unter @MKreutzfeldt.
Dennoch scheint die Kanzlerin die Sache derzeit durchziehen zu wollen, um keinen Fehler eingestehen zu müssen. Ob sich dieses Ausblenden der Realität für sie politisch lohnt, scheint fraglich – Geld zu verschwenden kommt auch in konservativen Kreisen nicht gut an. Für die Allgemeinheit wird Merkels Sturheit auf jeden Fall teuer. Denn mit jedem Tag, an dem in Stuttgart weiter gebaut wird, steigen auch die Kosten eines Ausstiegs aus dem Projekt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche