Kommentar Studierendenproteste: Hochschulen müssen umdenken
Wenn Hochschulrektorenkonferenz, Unipräsidien und Bildungsminister glauben, mit Abwiegeln der Proteste sei es getan, werden sie ihren Unis weiter schaden.
Tausende von Studierenden protestieren. Universitätshörsäle sind besetzt, VertreterInnen der Studierenden geben eloquente Statements ab - bahnt sich da eine Wende in der Bildungsdiskussion an? Ja, und man es hätte kommen sehen können: Der Bolognaprozess führt nicht zu größerer europäischer Vereinheitlichung, sondern zum Studium von der Stange. Anpassung ist gefragt und Leistung - wobei Zeitersparnis und niedrige Kosten im Vordergrund stehen. Kein Wunder also, dass es brodelt.
Schon vor einem halben Jahr hat Annette Schavan zugegeben, dass Nachbesserungen dringend erforderlich sind. Immer mehr deutsche Hochschulpräsidien erwägen einen vierjährigen Bachelor. Aber damit ist es kaum getan. Die zweite Runde der Exzellenzinitiative steht an. Unis, die sich gute Chancen auf einen der begehrten Spitzenplätze ausrechnen, oder solche, die beim letzten Geldsegen mit bedacht worden sind, müssen umdenken, denn dieses Mal wird auch die Lehrqualität evaluiert werden. Zur exzellenten Forschung gehört auch immer die exzellente Lehre.
Außerdem steht 2012/2013 ein Run auf Studienplätze an, weil in diesen beiden Jahren die verkürzten Abiturjahrgänge zum Studium zugelassen werden wollen. Hochschulen, die gute Ergebnisse bei der Drittmitteleinwerbung verzeichnen konnten, haben ein großes Problem: Ihr Erfolg schadet ihnen, weil sich das verfügbare Raumangebot bei jedem neu eingeworbenen Forschungsprojekt weiter reduziert. Die Lösung wären Neubauten, die aber nicht zu finanzieren sind. Wenn Hochschulrektorenkonferenz, Universitätspräsidien und Bildungsminister glauben, mit Abwiegeln der Proteste sei es getan, werden sie ihren Hochschulen weiter schaden.
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