Kommentar Steuerkonzept Union: Blühende Wahlversprechen
Das Steuerkonzept der CDU und CSU ist unglaubwürdig.
W ir, die Vernünftigen - ihr, die Unglaubwürdigen. Nach diesem Motto eröffnet die Union in diesen Tagen den Bundestagswahlkampf. Scheinbar maßgeschneidert ist dafür das Steuerkonzept, ein Teil des Wahlprogramms. Die kalte Progression soll bekämpft und die Steuertarife für die Mittelschicht sollen verringert werden; eine gefühlt kleine Korrektur, die als vernünftige Maßnahme einer glaubwürdigen Partei bei den Wählern ankommen soll. Doch genau das ist es nicht.
Denn eine Begünstigung der Mittelschicht ist die teuerste Steuersenkung - allein der Kampf gegen die kalte Progression würde jährlich Milliarden kosten. Der Union reicht dies nicht mal: Für die Kleinverdiener soll auch noch der Einkommensteuersatz gesenkt und die Mehrwertsteuer für Hotel und Gastronomie verringert werden. Und auch die Großverdiener bekommen ein Stück vom Kuchen: Die Grenze für den Spitzensteuersatz soll angehoben werden. Erstaunliche Versprechungen in einem Jahr, das dem Staat 90 Milliarden Euro Neuverschuldung bringt, die größte Rezession seit Bestehen der Republik und spätestens im Herbst - wahrscheinlich nach der Bundestagswahl - einen sprunghaften Anstieg der Arbeitslosigkeit. Was im nächsten Jahr kommt, weiß keiner, aber ein wirklicher Wirtschaftsaufschwung, der alle Probleme löst, wird es aller Voraussicht nach nicht sein.
Für ihr Steuerkonzept fehlt der Union jede seriöse Idee zur Gegenfinanzierung. Und dabei ist genau dies eigentlich ein Lieblingsvorwurf an die politischen Gegner von links. Allein das Wirtschaftswachstum, eine für CDU und CSU scheinbar verlässliche Größe, soll es richten. Gut hundert Tage vor der Wahl liefert die Union ein Steuerkonzept, das vergangenen unrealistischen Wahlversprechungen ein beispielloses Kapitel hinzufügt. Nur eins ist es nicht: glaubwürdig.
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