Kommentar Steuerflucht: Oase Deutschland
Die größte Steueroase ist nicht die Schweiz, sondern Deutschland selbst. In den hiesigen Finanzverwaltungen fehlen rund 15.000 Planstellen.
G eschätzte 300 Milliarden Euro haben die deutschen Steuerflüchter im Ausland gebunkert. Für die Vermögenden ist dies ein gutes Geschäft, denn jährlich sparen sie rund zehn Milliarden Euro an Steuern.
Zudem ist die Steuerflucht nicht besonders gefährlich. Offiziell ist sie zwar ein Straftatbestand, doch behandelt wird sie wie ein Kavaliersdelikt. Daran ändert auch der neue Gesetzentwurf der Regierung nichts. Weiterhin kommen die Steuerflüchter straffrei davon, wenn sie sich rechtzeitig selbst anzeigen - was sie natürlich nur tun, wenn sie begründeten Verdacht haben, dass ihr Schwarzgeld im Ausland bekannt werden könnte.
Die Entdeckungsgefahr ist jedoch gering, solange keine geklaute Steuer-CD im Umlauf ist. Denn noch immer gilt europaweit das Bankgeheimnis: Die EU-Staaten müssen nur Auskünfte über Kontendaten herausrücken, wenn ein Anfangsverdacht auf Steuerflucht besteht. Das ist nicht allzu oft der Fall. Die meisten Steuerbetrüger sind schlau genug, ihr Geld spurenfrei ins Ausland zu transferieren.
Ulrike Hermann ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.
Die Steuerflucht ins Ausland wird gern skandalisiert – und zu Recht. Trotzdem ist sie nicht das Hauptproblem. Die größte Steueroase ist nicht die Schweiz, sondern Deutschland selbst. In den hiesigen Finanzverwaltungen fehlen rund 15.000 Planstellen. Also werden die meisten Steuererklärungen gar nicht erst kontrolliert.
Der Bundesrechnungshof hat schon 2006 kritisiert, dass selbst bei den Einkommensmillionären nicht einmal jeder Sechste überprüft wird. Doch geändert hat sich nichts. Weiterhin hat nur eine Gruppe keine Chance, Steuern zu hinterziehen: die Angestellten. Ihr Lohn wird den Finanzämtern automatisch gemeldet. Für alle anderen ist Deutschland ein Steuerparadies.
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