piwik no script img

Kommentar Steuer-CDDeutsche tolerieren Steuerflucht

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Verständnis wird für Steuerflüchtlinge gezeigt. Warum eigentlich? Schließlich steht der Weg in die Schweiz nur reichen Selbsständigen und Kapitaleignern offen.

D ie jetzt angekaufte CD führt es wieder einmal vor: Milliarden werden jedes Jahr über die Schweizer Grenze geschafft, um sie vor den deutschen Finanzämtern zu verbergen. Das ist zutiefst ungerecht. Denn normale Arbeitnehmer können sich der Steuer nicht entziehen – sie wird automatisch vom Gehalt abgezogen und direkt ans Finanzamt überwiesen. Die Steuerflucht ist nur für Selbstständige und Kapitaleigner möglich.

Genau deswegen ist es so überraschend, dass viele Wähler es akzeptieren, wenn die Reichen vor der Steuer fliehen. Um nur zwei Beispiele für diese implizite Komplizenschaft zu nennen: In Hessen wurden kürzlich vier Steuerfahnder in Pension geschickt, weil sie den Bankzentralen in Frankfurt lästig wurden. Diesen Skandal hat die schwarz-gelbe Regierung in Hessen einfach ausgesessen, denn sie konnte in den Umfragen erkennen, dass er keine Stimmen kostet.

Oder Müller-Milch: Der Besitzer drohte einst, seinen Firmensitz in die Schweiz zu verlegen, damit er keine Erbschaftsteuer zahlen muss. Die normale Reaktion wäre gewesen: „Dann kaufen wir deinen Joghurt nicht mehr.“ Stattdessen zeigten viele Deutsche Verständnis für den Milliardär.

Bild: taz
ULrike Herrmann

ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.

Auch die Steuerflucht in die Schweiz ist nur möglich, weil sie von den meisten Deutschen gnädig toleriert wird. Um ein kleines Gedankenexperiment anzustellen: Man könnte doch die Schweizer Waren boykottieren – bei Shell hat’s doch auch funktioniert. Diesem Druck dürften sich die Schweizer bald beugen. Doch bisher gab es diesen Druck nicht.

Denn für die Deutschen galt und gilt es als Kavaliersdelikt, den Staat zu betrügen. Er wird als der eigentliche Feind wahrgenommen. Nach dem Motto: In den Behörden tummeln sich nur faule Beamte, die das Geld für Hartz-IV-Empfänger verschwenden. Diese Diskreditierung des Staates ist die eigentliche Waffe der Steuerhinterzieher – die Schweiz ist nur ein Nebenschauplatz.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • A
    artemidor

    Ich finde den Gedanken beruhigend, daß die Deutschen noch so viel Gerechtigkeitsgefühl haben, daß jeder das Recht hat, sein Eigentum vor dem (anscheinend steigenden) Hunger des Finanzamts zu schützen. Das Eigentum ist das Vermögen und der Bruttoverdienst, und nachdem immer mehr davon enteignet wird, d.h. immer weniger davon übrigbleibt, freut man sich über den noch verbliebenen Steuerwettbewerb zwischen Ländern und Regionen; auch wenn dieser Wettbewerb nach dem Willen der Regierung mit der jeweils höheren Abgabenquote natürlich unterbunden werden soll, um schließlich ein Ausbeutungsmonopol zu schaffen.

  • M
    maijun

    Nee, mir geht es gar nicht so sehr um die Hinterziehung. Mir geht es darum, dass die Daten ja ursprünglich mal geklaut worden sind und die CDs auf unlauterem Weg in die Hände der Fahnder gekommen sind.

     

    Des Weiteren sehe ich - als kleine Frau sozusagen - nicht ein, warum ich erstens dem Staat alles mitteilen soll (er teilt mir ja auch nicht alles mit), zweitens will ich mich nicht bevormunden und gängeln lassen und drittens habe ich ja schon eine Steuer (nämlich die Lohnsteuer) auf mein Gehalt bezahlt und soll dann vom dem Ersparten noch mal eine Kapitalsteuer abziehen lassen? Ich glaube, es hackt.

  • P
    Pharisäer

    Armes Deutschland!

  • E
    Eulenspiegel

    Das "Schröder-Gesetz Hartz IV" hat diese Steuerflüchtlinge noch reicher gemacht. Jetzt bringen die das Geld, das sie durch das Schröder-Gesetz vermehren konnten in die Schweiz,Bermudas oder Kaimaninseln oder verzocken es. Schröder hat nur die "gerettet" die keiner Rettung bedurften. Und Merkel und ihr "Taka-Tuka Finanzminister" haben nicht vor da etwas zu ändern. Schröder hat man wegen Hartz IV abgewählt und Merkel erntet Lorbeeren nur dafür, dass sie sich vom Finanzkapital weiterhin nasführen lässt. Man sollte den Hartz IV-Beziehern das Bundesverdienstkreuz zugestehen, weil sie dafür büßen müssen, dass es dem radikalen Markt so gut geht.

  • P
    Picho

    Bei den hiesigen Steuergesetzen und bei dem, was wahrscheinlich noch auf die Mittelschicht zukommt, dürfte das, was als "Steuerflucht" bezeichnet wird, eher als "Notwehr" zu bezeichnen.

    Vor allem wenn ich daran denke, welcher Blödsinn mit dem sauer erarbeiteten Geld finanziert wird.

    Ich frage mich immer wieder, wie Preussen seinen Staatsapparat mit 3% Einkommenssteuer am Laufen gehalten hat.

  • EL
    Ein Leser

    Die Autorin schreibt:

    "Denn normale Arbeitnehmer können sich der Steuer nicht entziehen – sie wird automatisch vom Gehalt abgezogen und direkt ans Finanzamt überwiesen. Die Steuerflucht ist nur für Selbstständige und Kapitaleigner möglich."

     

    Schon mal den Begriff "Schwarzarbeit" gehört? Oder vom steuerbetrügenden Zigarettenkauf bei fliegenden Händlern? etc. etc.

     

    Es ist doch leider auf allen gesellschaftlichen Ebenen verbreitet, die Steuerregeln zu verbiegen, sofern der Mensch eine niedrigschwellige Möglichkeit dazu hat.

     

    Man müsste überall Steuerflucht ächten, will man ein Umdenken erreichen: Also vom Millionär, der sein Schwarzgeld auf die Bahamas schafft bis runter zum Hartz4-Empfänger der nebenbei zweimal im Monat malern geht, sich China-Zigaretten kauft und seine Frau schwarz putzen (und beides sind nur Klischees! Die meisten Leute beider Gruppen sind ehrlich!).

     

    Das ginge nur, wenn es wieder mehr Identifikation mit diesem Land und seinem Staat gäbe (und damit auch höhere Akzeptanz unserer Spielregeln) und nicht - wie leider im Artikel - jeweils Finger auf andere Gruppen gezeigt werden: "Ihr seid doch die Bösen!". Letzteres bewirkt nur eine Vergrösserung der Spaltung.

  • D
    dieter

    Das ganze Deutsche Steuersystem ist zutiefst ungerecht. Wenn man sich jetzt besonders über die Hinterzieher aufregt, wertet das unser System auf.

    Als ob das einen großen Unterschied ausmacht, ob jemand hinterzieht oder "ehrlich" seine Steuern zahlt. Unter Adenauer hat sich das Hinterziehen noch gelohnt, da gab es Vermögenssteuer und eine Spitzensteuersatz über 60%.

    Warum sind da nicht alle Reichen ausgewandert?

    Oder anders formuliert:

    Darf sich heute ein Vermögender gerecht nennen, wenn er "ehrlicher" Steuerzahler ist??

  • C
    CitizenK

    Das gilt auch für die Erbschaftsteuer. Leistungsgerechtigkeit hin oder her - Jugendliche, auch mit nicht-privilegiertem Einkommens- und Vermögenshintergrund sind nach meinen Erfahrungen strikt gegen eine höhere Erbschaftsteuer.

  • FE
    Frau Edith Müller

    Sie akzeptieren Steuerflucht, weil sie es auch täten, könnten sie.

    Ich würde diesem Staat - so ich könnte- keinen Cent geben wollen. Wozu? Ich kann doch nicht mal mitbestimmen, wozu meine Kohle verwendet wird. Stichwort: 40% der Hartzler sind Ausländer. Kotzt micht an. Und der deutsche Rentner muss sich für sein Altersgeld "Ansprüche" erwerben. Gibt Frauen, die bekommen nach über 40 Jahren Maloche nicht mal 600,00 €; `ne ausländische Großfamilie (Stichwort: Miriclan, über 1000 Familienmitglieder) zudem noch hochkriminell, erhält pro Jahr zig Millionen an Sozialtransfers. Oder jetzt die Zigeuner in Berlin....man könne nix machen, sagt Buschkowsky. Bei Florida - Rolf wurden innerhalb von 2 Wochen die Gesetze geändert; bei Zigeunern geht das nicht? Ich würde dem Staat wegen solcher Leute sehr gerne den Hahn abdrehen.

  • M
    Megestos

    Traurig, aber wahr. Zumal ALG-II-EmpfängerInnen so oft als Schmarotzer empfunden werden, obwohl sie in den wenigsten Fällen Freiwillig in ihrer Lage sind. Und Steuerdiebe profitieren massiv von Steuergeldern (z.B. über Infrastruktur, die Bildung ihrer MitarbeiterInnen, innere Sicherheit, den einigermaßen vorhandenen sozialen Frieden), vermeiden es aber ganz bewusst, sich an dem Allgemeinwohl zu beteiligen.

  • S
    Sukram

    Als Steinbrück seine Attacke ritt, entblödeten sich der Herr Hieber, Lebensmitteleinzelhändler mit mehreren Filialen im Dreiländereck, und ein Gastronom nicht, sich via offenem Brief bei den Hehlvetiern zu entschuldigen.

     

    Beide haben mich nie mehr gesehen, und in den letzten 2 Jahren kam auch keine schweizer Mautplakette mehr auf meine Windschutzscheibe...

     

    PS: Natürlich treiben die weiter Ölgeschäfte mit dem Iran

    http://bazonline.ch/schweiz/standard/Bund-erlaubt-weiterhin-OelGeschaefte-mit-dem-Iran/story/16318759

    schließlich sitzen da auch die weltgrößten Ölhandelsfirmen.

     

    PPS: Der Verein des korrupten Blatter ist von allen Steuern befreit.

     

    usw. usf.

  • E
    end.the.occupation

    Wenn ich könnte würde ich auch Steuern hinterziehen. Unser Staat kann nämlich nicht mit Geld umgehen, trotz Mehreinahmen machen wir immer mehr Schulden. Das ist doch nicht mehr normal. Warum soll ich für Atom-U-Boote für das zionistische Regime aufkommen? Schon deshalb ist es die Pflicht für jeden Deutschen und insbesondere für jeden Muslim Steuern zu hinterziehen!