Kommentar Steintorviertel-Randale: Appelle nützen nichts
In Bremen ist schnell erkannt worden, dass es Menschen in der ganzen Stadt gibt, für die Randale mit der Polizei "Eventcharakter" hat. Wenn die Zukunftsperspektive düster ist, wird es weiterhin Leute geben, die Krawall als Ventil benutzen.
Das ganze Jahr zahl ich meine Steuern, dafür möchte ich am 1. Mai Polizisten mit Flaschen bewerfen dürfen", so der IT-Mensch. Oder: "Manche gehen auf dem Dom Achterbahn fahren - ich geh nach dem Schanzenfest auf die Piazza", sagt die brave Angestellte - Sprüche, die in Hamburg bei den ritualisierten Krawallen am 1. Mai oder im Anschluss an das Schanzenfest seit Jahren zu hören sind, wenn so genannte "ganz normale Leute" erlebnisorientiert auf Piste gehen.
Erst langsam hat sich in Hamburg die Erkenntnis durchgesetzt, dass es sich nicht um Links-Autonome handelt - auch wenn die Krawalle im Szeneviertel toben. Selbst Polizisten sind schon dabei ertappt worden, dass sie in ihrer Freizeit an den Flaschenwurf-Arien auf Polizeiketten und Wasserwerfer teilgenommen haben.
In Bremen ist offenkundig schneller erkannt worden, dass es ein Potenzial an Menschen in der ganzen Stadt gibt, für die Randale mit der Polizei im Steintorviertel "Eventcharakter" haben und als "Volksport" angesehen werden.
Doch allein Appelle der Polizei, den gesellschaftlichen Konsens nicht zu verlassen, werden das Problem nicht lösen. Wenn die Zukunftsperspektive düster ist, vielleicht schon konkrete Existenz- und Jobängste existieren und der gesellschaftliche Konsens in der Arbeitswelt verlassen wird, wird es weiterhin Leute geben, die Krawall als Ventil benutzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance