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Kommentar Steinmeiers WahlkampfDer Schattenboxer

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Steinmeier versucht eine Diskussion über seinen Deutschland-Plan zu erzwingen. Doch Merkel weicht aus - und lässt Steinmeier hilflos zurück.

Die SPD ist, wie man weiß, in einer unbequemen Lage. Eigentlich muss sie einen harten, kontroversen Wahlkampf gegen Angela Merkel beginnen. Nur so hat sie eine Chance weiter zu regieren. 2002 und 2005 hat es für die SPD dazu gereicht, weil sie mit dem Irakkrieg und der sozialen Kälte von Schwarz-Gelb Themen hatte, die die eigene, ziemlich anspruchsvolle Klientel bewegte. Doch diesmal ist es anders.

Bei Kanzlerin Merkel Angriffspunkte zu finden ist nicht einfach. Ihr freundlich-präsidialer Stil hat sogar den globalen Finanzcrash seltsam unberührt überstanden. Und selbst wenn es den SPD-Strategen gelingt, Merkel als verpuppte Neoliberale anzugreifen, bleibt die Frage, warum die SPD dann am 28. September mit freudigem Stoßseufzer die große Koalition fortzusetzen gedenkt.

Bild: taz

Stefan Reinecke ist Parlamentsredakteur der taz.

Aber das ist nur die Oberfläche. Das Problem liegt tiefer. Die SPD regiert seit elf Jahren. Und sie kann nicht so tun, als wäre sie eine Art kraftvolle Oppositionspartei, die nun alles anders machen wird.

Deshalb sucht die SPD eine positive Botschaft. Nichts anders ist Steinmeiers volltönender Deutschland-Plan, der größtenteils fortschreibt, was unter Rot-Grün ganz gut geklappt hat, nämlich die mehr oder weniger forsche ökologische Industriepolitik. Das ist kein bloßer Wahlkampftrick, um den Grünen Wähler abzujagen. Vielmehr gibt es kein anderes Thema, mit dem die SPD eine erfolgreiche Vergangenheit mit lichter Zukunft verbinden kann. Die Sozialpolitik ist - siehe Hartz IV - ungeeignet.

Das Dilemma der SPD ist: Mit scharfer Konfrontation gegen die Union ist sie unglaubwürdig, ohne sie geht sie als Merkels blasser Juniorpartner unter. Deshalb versucht Steinmeier, die Union fast verzweifelt dazu zu bringen, sich mit ihm über seinen Deutschland-Plan zu streiten. Doch Merkel weicht aus. Und Steinmeier wirkt wie ein Schattenboxer auf der Suche nach einem Gegner.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

2 Kommentare

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  • E
    Eisenbahner

    Steinmeier spielt Rugby gegen die Schachspielerin Merkel. Warum soll die sich auch anstrengen, wenn Steinmeier und sein Team die Ahl für sie gewinnen. Ulla, Deutschland-Papier, 4 Millionen Arbeitsplätze usw. also... was soll Frau Merkel zu so viel geballter Inkompetenz sagen... Da muss sich der Kanzler-Kandidat Frank-Walter sogar mit dem Nachführen von mobilen Liebhabern seiner Genossin rumschlagen und Bitten und Betteln, doch endlich das Thema zu beenden, damit er seinen unrealen Deutschland-Plan vorlegen kann...

     

    EIn wunderbarer Plan... ein Plan, der mitreißt, der nachdenklich macht und der uns positiv denken lässt. Der Plan reißt mit, die Sozialisten nicht zu wählen, wir denken positiv darüber nach, dass Kasperle Frank-Walter nicht Kanzler wird... Sie haben im Moment aber auch Karikaturen am Start... Zu früheren Zeiten hätten sie anstatt Gesine Schwan und Steinmeier auch Evelyn Hamann und Loriot aufstellen können, wobei die wahrscheinlich bessere Chancen hätten.

     

    Steinmeier sollte sich doch besser der Schlämmer-Partei anschliessen, der ist mindestens genau so lustig und Ulla Schmidt könnte doch wieder als Bardame arbeiten...

     

    Jeder so, wie er kann und die SPD kann derzeit nichts...

  • A
    anke

    Der ganze, aus einem früheren BRD-Leben des heutigen Deutschlands überkommene Wahlkampf ist bestenfalls albern. Steinmeier ist gewiss kein Schattenboxer. Er kommt mir eher wie ein Wrestler vor. Jeder, der sich schon mel eine dieser US-amerikanischen Shows angesehen hat, weiß, dass die Zuschauer besch...ummelt werden von den Typen im Ring. Und doch jubelt das Publikum begeistert mit, wenn wieder einer seiner "Helden" auf die Bretter kracht. Und wenn der Ringrichter am Ende den Arm des angeblichen Siegers hebt, feiert man seinen Star mit Standing Ovations.

     

    Steinmeier hat schon vor Jahren, damals noch im Duett mit Schröder, das Lied von den Millionen Arbeitsplätzen gesungen. Demnächst haben wir 2010, und der Vollbeschäftigung sind wir keinen Schritt näher. Werden die rotgrünen "Reformen" deswegen zurückgenommen? Kein Stück. Warum auch. Liegt ja nur an der großen Krise, dass wir noch nicht alle (oder doch wenigstens die unter uns, die sich nicht bös schmarotzernd in die soziele Hängematte legen) reich und glücklich sind. Und für die Krise, nicht wahr, für die Krise also kann sie schließlich nichts, die SPD. Wer wollte das wohl bestreiten? Die CDU etwa?

     

    Dass die Regierung sich irgendwann in den letzten vier Jahren um den Weg ans Ziel (welches auch immer es gewesen sein mag) gestritten hätte, ist übrigens auch nicht überliefert. Dass Steinmeier plötzlich einen Konflikt aus dem Ärmel zaubert, ist also vermutlich eher der Wunschtraum diverser Journalisten, die gern aufregende Dinge berichten würden, ohne damit jemand Wichtigem an die Karre zu fahren. Wenigstens alle vier Jahre einmal. Mit der Realität hat es etwa so viel zu tun, wie der ganze, zur Folklore verkommene "Wahlkampf". Rein gar nichts nämlich.