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Kommentar Stefan MappusDie grüne Gefahr in Schwaben

Ingo Arzt
Kommentar von Ingo Arzt

Mappus will mit einer Anti-Grünen-Kampagne die Stammwähler an die Urne locken. Doch das Kalkül könnte scheitern. Am Schlosspark und an seiner Hinterzimmerpolitik.

B aden-Württembergs Ministerpräsidenten Stefan Mappus darf man zur Erfindung der Grüne-Socken-Kampagne gratulieren. Die Ökopartei ist sein ärgster Feind, dank ihrer Popularität liegt seine schwarz-gelbe Koalition in Umfragen hinter Grün-Rot. Es herrscht also Handlungsbedarf.

Mappus' Gegenstrategie ist denkbar simpel, sie trägt die Handschrift seines Beraters Dirk Metz. Der hat einst Roland Koch mit einer Rote-Socken-Kampagne in Hessen zum Sieg geführt. Die Formel lautet nun: Das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 ist gleich Fortschritt. Ergo: Wer dagegen ist, erweist sich als Feind des Fortschritts. Wer die CDU nicht wählt, setzt also all die schönen Errungenschaften – gute Hochschulen, niedrige Arbeitslosenquote, schwäbischen Erfindergeist – fahrlässig aufs Spiel.

Dabei ist Mappus das Gegenteil schwäbischer Ordentlichkeit, als deren Garant er sich gern darstellt. Ein chaotischer Hinterzimmerpolitikstil kennzeichnet seine kurze Vita als Landesvater. Mappus holt, ohne das Parlament anzurufen und ohne öffentliche Debatte, fast fünf Milliarden Euro aus der Staatskasse, um Anteile des Energiekonzerns EnBW zu kaufen. Bei dem wirtschaftlich umstrittenen Deal verdient die Bank eines alten Kumpels und CDU-Mitglieds kräftig mit.

Bild: taz

INGO ARZT ist Redakteur der taz.

Nach dem desolaten Polizeieinsatz im Schlossgarten von Stuttgart am 30. September, bei dem es 100 Verletzte gab, lässt sich die Frage, ob Politik oder Polizei Schuld tragen, kaum mehr klären. Der Grund: Es gibt von vielen Sitzungen angeblich keine Protokolle mehr. Doch solche Details werden die WählerInnen rechtzeitig vergessen – und ihr Kreuzchen da machen, wo es immer war. Das ist zumindest Mappus Kalkül: die alten Stammwähler an die Urne locken; auf die war die letzten 57 CDU-Regierungsjahre ja auch Verlass.

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Ingo Arzt
ehem. Wirtschaftsredakteur
Beschäftigte sich für die taz mit der Corona-Pandemie und Impfstoffen, Klimawandel und Energie- und Finanzmärkten. Seit Mitte 2021 nicht mehr bei der taz.
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10 Kommentare

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  • B
    bernhard1964

    Gott sei Dank können die Baden-Württemberger noch 1 und 1 zusammenzählen. Herr Mappus und Konsorten haben am 30. September 2010 ihr wahres Gesicht gezeigt. Auch wenn es jetzt etwas ruhiger geworden ist in Stuttgart. Zumindest die Schwaben vergessen so etwas nicht so schnell. Spätestens am 27. März 2011 werden Sie sich an dieses Datum erinnern und Herrn Mappus mit Ihrer Stimme abwatschen.

  • M
    mia

    @ebbe

     

    (ebbe schrieb am 30.1./19:15 "Sehr geehrter Herr Arzt,

    mit ihrer linken Gesinnung sind Sie wohl sicherlich

    in Russland besser aufgehoben.Sie sollten im Leben

    erstmal Ihr eigenes Geld verdienen,anstatt vom

    Kindergarten bis zum Studium von Transferleistungen

    der arbeitenden Bevölkerung zuleben und sich dabei nicht einmal zu schämen.

    Die grünen und roten Socken werden die wohlge-

    füllten Kassen in Baden-Württemberg mit ihren

    sozialistische Träumen schon leer bekommen.

    Was kommt dann? Tunesien?")

     

    Nicht Tunesien, ebbe -Ägypten. Wahlweise auch Paris 1789.

     

    Ach so, ebbe: wird Astroturfing eigentlich nach Zeilen oder nach Zeit bezahlt? Und: warum muss es immer so platt und ohne Witz sein? Also wenn schon keine Argumente, dann doch wenigstens Unterhaltung, oder? Aber nicht mal das bringt Ihr. Gähn.

    Na dann doch lieber rote oder grüne Socken, als diese langweiligen, geistigen Muffeltreter in schwarz/gelb aus Ihrer geistigen Halbhöhenlage.

     

    In Vorfreude darauf, Ihre gut gefüllten Kassen demnächst zu leeren.

     

    mia

  • AN
    Arno Nym

    Die Taktik der Gleichsetzung ist ja leider nichts neues. Wer gegen Zensur im Internet ist, der ist ja heutzutage auch für Kinderpornographie. Warum soll man also nicht auch gegen Hochschulen sein, wenn man gegen ein Bahnhofsprojekt ist?

     

    Bei den Hochschulen sollte sich Baden-Württemberg mal nicht so sehr rühmen. Die sind überlaufen und unterfinanziert. In Tübingen gibt es einen einen Sanierungsrückstau von fast einer halben Milliarde. Und damit wären nur die Gebäude saniert, was den laufenden Betrieb ja noch nicht allein garantiert.

  • V
    vic

    ...und wenn wir Mappus nicht wählen, werden wir Hunger leiden und niemals so dick wie er.

    Gruß aus B.W.

  • B
    Bitbändiger

    Einem doch eher mickrigen Wadenbeißer wie Herrn Mappus lassen Sie mit so viel Kommentar eigentlich schon zuviel Ehre angedeihen. Mir ist, seit ich mich mit Politik beschäftige (ca. Mitte der Sechziger) außer Herrn Späth kein baden-württembergischer Ministerpräsident erinnerlich, der nicht zumindest peinlich gewesen wäre (ganz abgesehen von den beiden Altnazis).

     

    Noch peinlicher ist allerdings z.Zt. das substanzlose Geschwätz von voraussehbarer Dämlichkeit, das die große CDU-Vorsitzende in Befolgung ihrer selbstverfügten Sprachregelung gegen die sogenannte "Dagegen-Partei" absondert. Schlimm, wenn die Nibelungentreue zu den Großabsahnern im Lande die sachliche Argumentation verbietet...

  • G
    George

    Die Strategie der CDU in BaWü läuft - zwei Monate vor der Landtagswahl - gerade "dreigleisig":

    1. Die Grünen sind als Gruppierung darzustellen, die uns jegliche technischen und technologischen Errungenschaften wieder weg nehmen wollen.

     

    2. Das Immobilienspekulaten- Projekt "Stuttgart 21" (nördliche Innenstadt schienenfrei) ist der Bevölkerung weiterhin und wortreich als "Bahnprojekt" zu verkaufen.

     

    3. In der nun verstärkt zu kommunizierenden Länderfinanzausgleichs-Debatte - dabei bitte sämtliche Neidreflexe bedienen (!) - ist darauf hinzuwirken, dass

    a) die fleißig schaffenden Menschen im Ländle den Glauben gewinnen sollen, dass ihnen bald nichts mehr bleibt, als ein nurmehr karges Mahl von Dauerwurst und Billig-Trollinger.

    Während

    b)Wowereit und seine Kommunistenfreunde in Berlin mit dem Geld aus dem Ländle weiter die Champagner-Korken knallen lassen.

     

    Vor allem Letzteres - 3a) und 3b) sind keinesfalls ein Scherz, sondern gehören in den verbleibenden zwei Monaten zum festen Propaganda-Repertoire der BaWü-CDU.

  • WW
    Werner Winkler

    Bitte schreiben Sie zum 30.9. nicht "100 Verletzte", da es "mindestens 100" waren - geschätzt von anderer Seite eher 400. Und viele (wie ich und meine Frau) sind nach dem "Treffer" des Wasserwerfers zum Umziehen und Verarzten nach Hause, ohne uns bei den Sanitätern zu melden.

     

    Und "verletzt" wurden darüber hinaus die demokratisch-rechtstaatlichen Gefühle tausender Bürger in Baden-Württemberg und darüber hinaus, besonders diejenigen der (angemeldet, genehmigt) demonstrierenden Schüler im Schlossgarten.

  • S
    Stuttgarterin

    @newsleser

    Eines der Mysterien, die künftige Historiker sicherlich begierig sein werden aufzuklären, ist: Wie konnte es gelingen, den Halbtief-Schrägbahnhof, Relikt aus dem letzten Jahrtausend, keine Kapazität im Tunnelbahnhof, kein Nutzen auf der Neubaustrecke, völlig überteuert, unabwägbare geologische Risiken, als "Zukunftsprojekt" zu verkaufen?

    Nicht die Grünen, sondern Herrn Mappus rückständige Politik ist die Gefahr.

  • E
    ebbe

    Sehr geehrter Herr Arzt,

    mit ihrer linken Gesinnung sind Sie wohl sicherlich

    in Russland besser aufgehoben.Sie sollten im Leben

    erstmal Ihr eigenes Geld verdienen,anstatt vom

    Kindergarten bis zum Studium von Transferleistungen

    der arbeitenden Bevölkerung zuleben und sich dabei nicht einmal zu schämen.

    Die grünen und roten Socken werden die wohlge-

    füllten Kassen in Baden-Württemberg mit ihren

    sozialistische Träumen schon leer bekommen.

    Was kommt dann? Tunesien?

  • N
    Newsleser

    Im Artikel ist zu lesen:

     

    „Das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 ist gleich Fortschritt. Ergo: Wer dagegen ist, erweist sich als Feind des Fortschritts. Wer die CDU nicht wählt, setzt also all die schönen Errungenschaften – gute Hochschulen, niedrige Arbeitslosenquote, schwäbischen Erfindergeist – fahrlässig aufs Spiel.“

     

    Wer so was behauptet, egal welchen Titel er hat, der ist nicht ganz richtig im Kopf und wer diese Taktik nicht durchschaut ist ein armer Tropf