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Kommentar Stalking-UrteilPsychoterror ist kein Kavaliersdelikt

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Stalking-Opfer gehen auch künftig leer aus. Mit diesem Urteil haben die Kasseler Richter die Chance vergeben, das Entschädigungsrecht sinnvoll weiterzuentwickeln.

W er Opfer einer Gewalttat wird, kann eine staatliche Opferrente und Ausgleich der beruflichen Schäden erhalten. Das sieht das Opferentschädigungsgesetz (OEG) vor. Langjähriger Psychoterror genügt hierfür aber nicht, entschied jetzt das Bundessozialgericht. Stalking-Opfer gehen auch künftig leer aus. Mit diesem Urteil haben die Kasseler Richter eine Chance vergeben. Statt das Entschädigungsrecht sinnvoll weiterzuentwickeln, legen sie es eng und kleinherzig aus.

Der Staat gewährt Opferrenten, weil er nicht in der Lage war, die Opfer von Gewalttaten wirksam zu schützen. Deshalb haben sie besonderen Anspruch auf staatliche Solidarität, auch wenn der Staat den Schaden nicht selbst verursacht hat. Dieser Gedanke aber gilt bei Stalking-Opfern in besonderem Maße.

Wenn ein Stalker sein Opfer über Monate, teilweise Jahre hinweg terrorisiert, erlebt dieses den Staat ebenfalls als ohnmächtig. Dass das Vertrauen des Opfers in den Schutz durch die Rechtsordnung lange Zeit enttäuscht wird, ist beim Stalking fast zwangläufig, weil Polizei und Justiz erst eingreifen können, wenn die Belästigungen exzesshaft werden.

Bild: taz

CHRISTIAN RATH ist rechtspolitischer Korrespondent der taz. Er lebt und arbeitet in Freiburg.

Doch es nützt nichts, nun lange über das Urteil des Bundessozialgericht zu räsonieren. Wenn die Richter sagen, der Wortlaut des Opferentschädigungsgesetz hindere sie an einer großzügigen Lösung, dann muss eben das Gesetz geändert werden. So wie Stalking vor vier Jahren als Straftatbestand eingeführt wurde, so muss der beharrliche Psychoterror nun auch im OEG als Grundlage für staatliche Opferrenten benannt werden.

Stalking ist wirklich kein Kavaliersdelikt. Das sollte der Staat auch dort bekennen, wo es ihn Geld kostet. Zuständige Ministerin ist Ursula von der Leyen, bezahlen müssen am Ende die Länder.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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5 Kommentare

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  • GP
    Gabriela Piontkowski

    Die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 7. April 2011 ist ein „Schlag ins Gesicht“ von Stalking-Opfern. Einer Frau aus Bremerhaven wurde die Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz versagt, nur weil sie nicht körperlich angegriffen wurde. Auch wenn Stalking nicht immer mit einem körperlichen Angriff in Zusammenhang steht, sind die Folgen oft nicht weniger gravierend. In einer nicht unerheblichen Anzahl von Fällen kommt es zu schweren seelischen Belastungen und psychischen Erkrankungen.

     

    Meines Erachtens besteht Handlungsbedarf: Die Nachstellung (§ 238 StGB) sollte einem tätlichen Angriff in § 1 Absatz 2 des Opferentschädigungsgesetzes gleich gestellt wird. Dann hätten Stalking-Opfer endlich eine realistische Chance auf Entschädigungsleistungen. Wir stehen da in guten Schuhen: Der Gesetzgeber hat mit der Aufnahme der Nachstellung als Straftat in das Strafgesetzbuch im März 2007 ein deutliches Signal gesetzt, dass Stalking nicht geduldet wird.

     

    Jetzt geht es darum, die Opfer auch im Sozialrecht zu stärken. Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz stellen eine wesentliche Absicherung des Opfers von Gewalttaten dar, z.B. durch Rentenzahlungen oder Übernahme von Kosten für Heilbehandlungen.

     

    Gabriela Piontkowski

    Vorsitzende des Landesarbeitskreises Christlich Demokratischer Juristen Bremen

  • S
    stimmviech

    Das Urteil zeigt doch, daß Stalkingopfer nach wie vor nicht ernst genommen werden. Warum sollten Psychologen, die vor 25 Jahren Stalkingopfer abgewertet haben, dies heute nun anders sehen? Natürlich habe ich keine Statistiken, kann nur meinen Eindruck von vor 25 Jahren wiedergeben und habe den Eindruck, daß sich da heute bis auf ein wenig Schönrednerei nichts geändert hat. Dasselbe gilt übrigens für den sexuellen Mißbrauch, die Vorgänge um die Odenwaldschule zeigen doch, daß auch heute die Mißhandlungsverleugner das Sagen haben.

  • A
    atypixx

    @ stimmviech

     

    Das ist zum einen eine gewagte, jedenfalls durch keinerlei Fakt untermauerte These. Zum anderen, selbst wenn es so wäre, dann war es falsch und muss geändert werden. Und ta-ta, es wird heute anders gesehen. Übrigens, "Gesinnungswandel" wird bisweilen auch als Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung zu begreifen sein; das ist ja keine Krankheit ;-)

  • FK
    Fritz Katzfuß

    Ich fühle mit den Satlkingopfern! Der Gesetzgeber muss aktiv werden, wenn die Justiz die Opfer noch nicht schützen kann. Zum Stalking muss aber auch die Belagerung durch Journalisten und andere Dienste? gehören.

  • S
    stimmviech

    Gerade linksalternative Psychologen, eifrige taz-Leser, haben in den 80er-Jahren reihenweise Stalkingopfer als paranoid klassifiziert und abgewertet. Da erstaunt mich der Gesinnungswandel der taz sehr.