Kommentar Srebrenica: Auf Mord steht Lebenslänglich
Damals beteiligte Polizisten sind bis heute in Srebrenica angestellt. Mehrere tausend Namen von Mittätern werden unter Verschluss gehalten. Das Den Haager Urteil sollte aufrütteln.
Z wei Mal lebenslänglich. Endlich. Auf Mord steht Lebenslänglich. So sah es der Richter des UN-Tribunals für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien in Den Haag. Der Oberkommandierende der Srebrenica-Aktion, General Krstic, kam noch 2005 mit 35 Jahren davon. Seine Untergebenen erhalten eine höhere Strafe. Das wirft Fragen zum ersten Urteil auf.
Die Rumeierei in Den Haag ist Beleg für die anhaltende politische Instrumentalisierung Srebrenicas. Dabei ist das Massaker vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag als Genozid eingestuft worden. Die Schuld allerdings wird allein den damals Herrschenden bei den bosnischen Serben angelastet, obwohl vom UN-Tribunal gesammelte Beweise auf eine direkte Involvierung Serbiens hinweisen. Doch dieses Material wurde vom Internationalen Strafgerichtshof ignoriert.
Politisch vermeiden alle großen Mächte - nicht nur Russland -, Belgrad mit dem Genozid in Bosnien zu belasten. Die EU-Integration wäre gefährdet, Serbien soll nicht stigmatisiert sein. Doch ohne die Aufarbeitung der Vergangenheit wird es nicht zu einem friedlichen Miteinander der Nationen des Balkans kommen können. Sicherlich ist genauso von Kroatien zu verlangen, sich eindeutig von dem Genozid an den Serben Kroatiens während der Ustascha-Diktatur zu distanzieren. Das ist vonseiten der Politik zwar geschehen, doch in der Gesellschaft ist dies noch zu wenig verankert.
Erich Rathfelder ist seit über 15 Jahren Journalist im Dreieck Berlin, Split, Sarajevo. Sein jüngstes Buch: "Schnittpunkt Sarajevo. Bosnien und Herzegowina zehn Jahre nach dem Krieg" (Schiler Verlag, 2006).
In Serbien aber ist man 15 Jahre nach Srebrenica zur Tagesordnung übergegangen. Der Regierungschef der serbischen Teilrepublik in Bosnien leugnet Srebrenica. Damals beteiligte Polizisten sind bis heute in Srebrenica angestellt. Mehrere tausend Namen von Mittätern werden unter Verschluss gehalten. Das Den Haager Urteil von gestern sollte aufrütteln, um weitere Prozesse zu ermöglichen.
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