Kommentar Sportförderung: Mehr als genug
Großbritannien staubt die Medaillen ab und in Deutschland will man mehr Geld für die Sportförderung. Doch 239 Millionen Euro sind mehr als genug.
O h Gott, die Briten. Die haben schon 22 Goldmedaillen gewonnen, und bald werden es 25 sein oder gar 30. Und die Deutschen? Nicht mal die Hälfte der 22 britischen Goldplaketten haben sie eingeheimst. Schande über die Athleten des Olympischen Sportbundes!
Die Sportler aus Großbritannien, die Loser von einst, sind doppelt besser als die Deutschen: doppelt schneller, doppelt höher, doppelt weiter. Das kann nicht sein. Das darf nicht sein. Das beweist allein schon ein Blick auf den ewigen olympischen Medaillenspiegel. Da liegt Deutschland auf Platz drei und Britannien nur abgeschlagen auf sechs; es stehen 528 deutsche Goldmedaillen gegen 216 britische. So what.
Trotzdem geht ein Aufschrei durch das deutsche Sportfunktionärswesen. Man sieht die Felle davonschwimmen: „Wir brauchen mehr Geld!“, rufen sie, und ein paar Athleten stimmen ein in den Chor der Unzufriedenen. Mehr Geld? Eine ziemlich dreiste Forderung, denn das Bundesinnenministerium gibt jetzt schon jährlich über 130 Millionen Euro für den Spitzensport aus.
ist Sportredakteur der taz.
Das Verteidigungsministerium schießt noch mal über 30 Millionen für fast 800 Sportsoldaten dazu. Der Sport bedient sich noch aus diversen anderen Töpfen, sodass mal locker 239 Millionen für Sportler zusammenkommen. Deutschland leistet sich ein Heer von Staatssportlern, die unter besten Bedingungen Sport treiben und sich wenig Sorgen um die Zukunft machen müssen.
Sportzirkus mit Wahnsinnssummen
Sie verdienen zwar nicht so viel wie Profifußballer, aber sie haben ihr Auskommen. Es mag sein, dass anderswo Wahnsinnssummen in den Sportzirkus fließen und dass fähige Trainer aus Europa weggelockt werden. Es mag auch sein, dass das Team GB mit Irrsinnssubventionen gepimpt wurde.
Aber was ist wohl nachhaltiger? Das solide und absolut ausreichend finanzierte deutsche Sportsystem oder das Mammutprojekt der Briten. Die dortige Sportförderung wird mit dem Ende der Spiele sofort in Rechtfertigungsnöte geraten. Gut möglich, dass die Briten in acht oder zwölf Jahren wieder hinter den Deutschen rangieren. Sehr zum Gefallen der deutschen Funktionäre.
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