Kommentar SimCity: Willkommen in der DRM-Hölle
Das PC-Spiel SimCity war mal sehr beliebt. Dank Serverproblemen hat sich das nun geändert. Die wahren Probleme aber liegen woanders.
B ERLIN taz Es sollte eine triumphale Rückkehr werden. Nach zehn langen Jahren ist seit Donnerstag die Fortsetzung des PC-Spieleklassikers SimCity, einer komlexen Städtebausimulation, erhältlich – und wird durch fortgesetze Serverausfälle zum PR-Desaster für den Hersteller Electronic Arts (EA) und ein Lehrstück über die Probleme mit dem Kopierschutz.
Die Vorabbesprechungen waren überwiegend positiv. Die Fans ließen sich nicht lange bitten und griffen in Massen zu, sobald die Downloads zur Verfügung standen. Die Popularität des Spiels ist nun jedoch sein Problem. Wegen des gewaltigen Ansturms auf die Server des Anbieters EA kommt es zu erheblichen Einschränkungen in der Spielbarkeit SimCitys.
EA hat nämlich – wie schon für andere Spiele – die permanente Synchronisation des Spiels zwischen dem Heimrechner und den Firmenservern zur zwingenden Bedingung gemacht. Nicht nur Spielstände werden dort gespeichert, der gesamte Spielablauf wird so gesteuert. Ohne ständige Internetverbindung ist kein Spiel möglich.
ist taz.de-Redakteur.
Auf der anderen Seite heißt das aber auch: Hat der Anbieter ein Verbindungsproblem, ist es ebenfalls vorbei mit dem Spielvergnügen. Und der Anbieter hat ein gewaltiges, schon mehrere Tage andauerndes Problem. Die hoffnungsvollen virtuellen StadtplanerInnen machen nun ihrem Ärger in den Weiten des Internet Luft. Schließlich haben sie nicht wenig Geld für ein disfunktionales Produkt ausgegeben.
Alle Opel weg
Ob die inzwischen erfolgte Ankündigung EAs, zur Entschädigung der enttäuschten Käufer ein anderes Spiel aus der eigenen Angebotspalette kostenlos zur Verfügung zu stellen, reicht, den bereits entstandenen Imageschaden irgendwie abzumildern, ist fraglich.
Was jedoch en passant durch das SimCity-Desaster deutlich in den Fokus kommt, sind grundsätzliche Probleme mit dem Digital Rights Management (DRM), dem Kopierschutz. EA erzwingt bei seinen Spielen die Serververbindung ja vor allem, um die Verwendung unbezahlter Kopien zu unterbinden. Alle NutzerInnen melden sich nach Kauf der Software mit einer eigenen, nicht übertragbaren Seriennummer bei EA an und bleiben damit eindeutig identifizierbar, solange sie das Spiel nutzen.
Dank dieser Kontrolle der „korrekten“ Verwendung einer Software wird sie durch die Notwendigkeit der ständigen Verbindung mit dem Hersteller auch ganz ohne dessen Serverprobleme in ihrer Funktionalität künstlich eingeschränkt. Es braucht keine einsame Berghütte, um einmal ohne schnelle Internetverbindung dazustehen. Was passiert, wenn zum Beispiel EA einmal in Insolvenz ginge und seine Server einfach abgeschaltet würden, ist auch klar: Das ordungsgemäß gekaufte und bezahlte Produkt SimCity hört für immer auf zu funktionieren.
Man stelle sich vor, nach Schließung des letzten Opelwerkes würden alle jemals produzierten Fahrzeuge dieser Marke nicht mehr fahren können, weil die Zündung zum Schutz vor unerlaubtem Weiterverkauf des Fahrzeugs einer Synchronisation mit einem Rüsselsheimer Server bedarf, der dann leider nicht mehr existiert.
Goldener Käfig
Nun ist es nicht so, das Simcity und EA ein Einzelfall sind. Gerade mit der weiteren Verbreitung immer kleinerer Mobilgeräte (Stichwort Google Glasses und iWatch) wird die Speicherung von Daten auf externen Servern und die Bereitstellung von Software aus der mythischen Cloud zum Standard. Ein voll funktionaler Rechner, der alle Daten und Applikationen an einem Ort speichert, wird hingegen die Ausnahme sein.
Das muss nicht heißen, dass jedes Gerät oder Programm zum Totalausfall wird, wenn auf der einen oder anderen Seite mal die Internetverbindung abbricht. Dieses Problem ist tatsächlich einzig dem prinzipiellen Misstrauen der Anbieter gegenüber ihrer Kundschaft geschuldet. Dem Verkäufer Kontrollrechte über ein bereits verkauftes Produkt einzuräumen ist der einzige Grund, Software so zu gestalten, dass sie ohne Internetanbindung überhaupt nicht funktioniert.
Solange Softwarehersteller nicht an sich halten können und die maximale Kontrolle über ihre Produkte ausüben wollen, werden sich Unfälle wie der verkorkste Simcity-Start ereignen. Un solange werden Hersteller wie EA auch damit leben müssen, dass ihre Kundschaft sehr ungehalten reagiert und die Produktbewertungen bei Amazon in den Keller gehen, wenn die Serverleistung mal nicht für eine reibungslose Überwachung ausreicht.
Digital Rights Management mag ein Käfig sein, egal: Hauptsache der Goldlack blättert nicht ab.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen