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Kommentar Sarrazins RechtsempfindenVerfassung? Ohne mich!

Kommentar von Vassilios Theodossiou

Bundesbanker Sarrazin fordert von Wulff, ihm eine "Anhörung" einzuräumen. Es zeigt, dass er es mit dem Grundgesetz nicht zu genau nimmt.

A m liebsten stolpert Thilo Sarrazin über sein gesundes Rechtsempfinden. Nach "Hartz IV" und "Integration" hat er sich ein neues Opfer gesucht: den Bundespräsidenten. Wulff möge, so verkündete Sarrazin in einem Interview, den "politischen Schauprozess" gegen ihn nicht "vollenden" und ihm eine "Anhörung" einräumen. Der Unterschied zu den bisherigen Debatten ist offensichtlich: Diesmal geht es Sarrazin um Sarrazin selbst und um seinen Job. Da darf man von einem "Klartextpolitiker" vielleicht wirklich nicht erwarten, dass er es mit der Verfassung zu genau nimmt.

Denn Sarrazins Anhörung durch den Bundespräsidenten würde einen klaren Verfassungsbruch darstellen. Wulff würde damit seine Rolle überstrapazieren. Zwar ist gesetzlich nicht explizit geregelt, wie ein Bundesbankvorstand abzuberufen ist. Eindeutig ist aber, dass dem Bundespräsidenten bei der Ernennung der Bundesbankvorstände nur ein äußerst eingeschränktes Prüfungsrecht der Personalvorschläge zukommt. Warum also sollte er bei einer Abberufung plötzlich mehr Macht haben? Der Bundespräsident ist weder die verfassungsrechtlich vorgesehene noch geeignete Instanz, Anhörungen bei Personalquerelen im Vorstand der Bundesbank durchzuführen.

Stattdessen ist es Ausdruck der Unabhängigkeit der Bundesbank, dass ihr Vorstand autonom entscheiden kann, wenn sich eines seiner Mitglieder schwere Verfehlungen zu Schulden kommen lässt. Ansonsten käme für nähere Anhörungen noch jene Institution in Frage, die Sarrazin berufen hat: der Bundesrat. Wer nun - wie Sarrazin - eine Prüfung der Abberufung durch den Bundespräsidenten fordert, ermuntert diesen letztlich zum Bruch der Verfassung.

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20 Kommentare

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  • U
    Urgestein

    @jas et al.

     

    Ahnungslosigkeit scheint geradezu euer zweiter Vorname zu sein. Die Ernennung/Entlassung von Vorstandsmitgliedern der Bundesbank ist eine Formalie, die dem Bundespräsidenten zukommt. Er handelt dabei auf Vorschlag der Bundesregierung bzw. des Bundesrates. Die beiden haben bei ihren Vorschlägen den Vorstand anzuhören.

     

    Nun ist der Vorstand mehrheitlich der Meinung, eines ihrer Mitglieder ist nicht mehr tragbar. Er ersucht daher nach entsprechender Abstimmung in den eigenen Reihen den Bundespräsidenten um dessen Abberufung. Dieser kann noch die Meinung der Bundesregierung (und ggf. auch des Bundesrates) einholen (wozu er ja auch gewillt war). Die Meinung des Delinquenten hingegen ist unmassgeblich, der ist ja in der Regel sowieso dagegen.

     

    Der Job als Vorstandsmitglied der Bundesbank ist in erster Linie ein politisches Amt, und wer hier die Ansicht vertritt ein (von Bundesregierung und Bundesrat!) politisch gewählter Vorständler könne nicht gegen seinen Willen abgewählt werden, der hat in der Tat ein erhebliches Defizit in Sachen "Spielregeln der Demokratie".

  • DA
    das arme Grundgesetz

    Verehrter Herr Theodossiou,

     

    warum Sie meinen Kommentar vom vergangenen Donnerstag nicht freigegeben haben, ist mir völlig schleierhaft. Ich finde das total grundgesetzwidrig.

     

    P.S. Die interessierten Leser möchte ich auf den FAZ-Artikel von Prof. Friedrich Schoch (FAZ vom 9.9.2010, S. 8) hinweisen, der sich ebenfalls mit den juristischen Aspekten der Abberufung eines Bundesbankvorstands befasst. Freilich auf einem etwas anderen juristischen Niveau.

  • R
    Runzelrocker

    Elementarste juristische Kenntnisse fehlen dem Artikelschreiber.

  • H
    Hubertus

    Ich finde den Kommentar - wenn auch verspätete - völlig richtig und zutreffend. Die Schuld liegt beim Bundesbankgesetz. Da ist es halt nicht geregelt. Und was Sarrazin da von Wulff wollte ist echt absurd, was ist denn Wullf, das Orakel von Bellevue oder ein Gesprächstherapeut?? Und was hat denn bitte das VerwfG damit zu tun?? Das ist doch bei einem Bundesbankvorstand gar nicht anwendbar, das ist doch kein Beamter!

  • P
    Potzblitz

    Dieser Artikel...aktuelles taz-Niveau?

    Wer nur taz liest, wird offenbar ebenfalls verBILDet...mehr sog i ned.

  • S
    Swanni

    Dieses Sarrazin-Bashing nervt einfach nur noch.

    Da liest man , er habe Ressourcen (Kugelschreiber ? ) des Arbeitgebers für sein Buch genutzt, vor zehn Jahren einen kostenlosen VIP-Parkausweis vom Frankfurter Flughafen zugeschickt bekommen usw usw. . Hat er vielleicht auch schon mal einen Strafzettel wegen überhöhter Geschwindigkeit erhalten ? Vermutlich nicht,sonst hätte man dazu schon einen Taz-Artikel gelesen

     

    Das interessiert alles nicht die Bohne, ebensowenig wie das ominöse "Judengen", das die Taz bekanntlich längst vor ihm entdeckt haben wollte.

     

    Man kann von dem Mann halten, was man will, auch als Tazredakteur. Das interessiert den Leser aber nicht besonders, jedenfalls nicht in dieser Häufung.

    Was interessiert, ist sachliche Auseinandersetzung :

    mit den Folgen muslimischer Masseneinwanderung, oder meinetwegen mit dem neoliberalen Weltbild des Sarrazins, oder vielleicht auch einmal mit dem Zusammenhang zwischen Multikulti und Neoliberalismus.

     

    Aber jeden Tag rituelle Abscheubekundungen gegenüber dem Sarrasisten zu lesen ist einfach nur Zeitvergeudung

  • A
    Anselm

    Herr THEODOSSIOU,

     

    ich kann Ihnen nur keine Ahnung und fehlendes Urteilsvermögen attestieren. Der Kommentar ist völlig daneben.

  • K
    Kaboom

    @Blacky

    LOL, genau. Ihr Chef hört sich ja auch erstmal Ihre Gegenargumente an, bevor er Ihnen kündigt, nicht?

  • K
    Krause

    Sorry - hatte mich vertippt. Es muss § 28 VwVfG heißen.

  • B
    Blacky

    Das rechtliche Gehör vor der Entscheidung ist ein Grundrecht. Deshalb gehört zu einer Verwaltungsentscheidung eine Rechtsmittelbelehrung. Wenn Sarazin sich in der Adresse geirrt hat, ist das ein kleiner Fehler, das Präsidialamt müßte die Forderung an die zuständige Stelle weiterleiten mit Abgabenachricht. Daraus einen Zweifel an der Verfassungstreue zu machen, zeigt auch keine Kenntnis der Gesetzeslage. Wenn der Bundesbankvorstand keine Rechtsmittelbelehrung gegeben hat, ist das ein Fehler des Bundesbankvorstandes. Die sollten sowas wissen.

  • J
    JAS

    Dieser Beitrag ist perfide:

     

    Meines Wissens war es nicht die Forderung von T.S., dass ihn der Bundespräsident abberufen möge. Wieso also richten sich Überschrift und Tenor des Kommentars nicht gegen die Bundesbank (deren Erfindung das nämlich war) sondern gegen den Betroffenen (der sich daraufhin auserbeten hatte, dann wenigstens auch angehört zu werden)?

     

    Weil es so schön angesagt ist gerade?

  • L
    likewise

    Sarrazin nimmt es mit der Verfassung nicht so genau? Geht schon. Ist ja seine. Da kann man sich auch mal die doppelte Portion erbitten.

    Die dummen Migranten dagegen haben in aller Demut stille zu warten, ob ihm irgendein nicht-rechtsverbindlicher Gnadenerweis zukommt...

  • J
    jas

    Mit Verlaub - dieser Vorwurf ist einigermassen hanebüchen und zudem in sich widersprüchlich:

     

    Richtig ist, dass es für die "Abberufung", die man dem BP angetragen hatte, keine gesetzliche Regelung gibt. Von daher wäre es schon grundsätzlich problematisch geworden, wenn der BP hier eine Entscheidung hätte treffen müssen.

     

    Warum aber sollte es verfassungswidrig sein, wenn der Betroffene eines solchen Verfahrens auf den elementarsten Grundsatz jeglicher rechtserheblicher Entscheidungsfindung verweist - nämlich das vorherige rechtliche Gehör?

     

    Wenn der Verfasser tatsächlich der Meinung ist, dass der BP von solchen Vorgängen die Finger lassen sollte, dann müßte er konsequenterweise auch grundsätzlich gegen eine Abberufung von T.S. durch den BP sein.

     

    Einerseits ein solches (von Gesetzes wegen überhaupt nicht vorgesehenes) Verfahren aber gutzuheissen aber andererseits dem Betroffenen zu sagen, mangels gesetzlicher Befugnisse dürfe er dabei nicht auf der Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze bestehen, ihm gar fehlendes Verfassungsverständnis vorzuwerfen, offenbart eine beklagenswert selbstgerechte Kurzsichtigkeit...

  • J
    jörg

    Fremdenfeind, Rassist, Volksverhetzer, Rechtsextremist, Sozialdarwinist, Rechtspopulist, Eugeniker, Antisemit, Arschloch - gefällt mir besonders wg. der intellektuellen Tiefe, Neonazi, Faschist, selber Migrant(!) etc. und jetzt Verfassungsfeind!

    Was kommt noch - vielleicht ein Argument?

  • LV
    Lothar von der Spree

    Selten sowas Unlogisches in der taz gelesen. Dass Sarrazin anders als andere nicht an Posten klebt, hat er mit seinem Rücktritt gestern bewiesen.

    Schlimmer ist der Zustand der Berliner SPD, die in eigenen Reihen keinen adäquaten Nachfolger für Sarrazin als Finanzsenator fand und auf einen parteilosen Unternehmer zurückgreifen mußte.

    Die sind schlicht am Ende - da hilft auch Wowi nix!

  • M
    Michael

    Langsam dreht Ihr aber völig ab, anders ist es nicht zu erklären, warum Ihr Sarrazin verbieten wollt, sich mit Wulff zu unterhalten.

  • G
    grafadolf

    Was soll die Aufregung?

    Der Bundestag hat in den letzten Jahren mehrere Gesetze beschlossen, die sich hinterher als verfasssungswidrig herausgestellt haben. Da hat keiner, auch nicht die taz, aufgeschrien, obwohl die Mehrzahl der Abgeordneten und die Regierung mehrfach bewiesen haben, mindestens ein laxes, wenn nicht ein feindliches Verhältnis zu unserer Verfassung zu haben. Das ist tausendmal schlimmer als

    Sarazins angeblich gesetzwidriges Ansinnen, vom Präsidenten angehört werden zu wollen.

  • M
    mika

    Hüstel, hüstel, hüstel. "Klare Verfassungsbruch" Sarrazins. Auch wenn Sie dies evtl. gerne bewiesen haben würden, ist es real eher so, dass bei Wulff der Verfassungsbruch im Raume steht.

    Immer schön bei der interpretierbaren Wahrheit bleiben.

  • S
    Stefan

    So'n Quatsch!

    Der Bundespräsident hat nach der Vorentscheidung durch den Vorstand der Bundesbank Sarrazin abzuberufen oder auch nicht. Die Mittel seiner Entscheidungsfindung sollten ihm überlassen bleiben.

    Keinen Rechtsbruch sieht dagegen die TAZ, wenn Schülersprecher als Handpuppe von Merkel sehr schnell eine Entlassungsempfehlung ausspricht und dieses dann hinterher gewissenhaft prüfen möchte. So etwas nennt man im Allgemeinen BEFANGEN.

    Wulff liefert Argumente für eine Direktwahl des Bundespräsidenten zur Vermeidung von Dankesentscheidungen.

  • K
    Krause

    Bei der Entscheidung des BuPrä müßte es sich um einen Verwaltungsakt handeln. Haben Sie schon mal etwas von § 38 VwVfG gehört?