Kommentar SPD: Zurück in die Zukunft
Erst das Scheitern des von der Parteilinken beförderten Experiments Beck hat bewirkt, was der frühere Bundeskanzler immer nur behauptet hatte. Es hat den Schröderismus personell und programmatisch vorerst alternativlos gemacht.
Am Tag danach passierte erst einmal - nichts. Weder verzichtete der zurückgetretene SPD-Vorsitzende Kurt Beck auf sein Amt als Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz noch gab die hessische Parteichefin Andrea Ypsilanti kleinlaut den Verzicht auf ihre rot-roten Ambitionen bekannt. Warum auch? Ein überstürzter Rückzug Becks in Mainz hätte die SPD ihrer letzter Bastion in einem westdeutschen Flächenland beraubt und für den scheidenden Parteichef selbst den Gesichtsverlust erst perfekt gemacht. Und in Hessen hat sich an der Lage, in der die dortige SPD inzwischen nun mal ist, durch den Berliner Führungswechsel vorerst nichts geändert.
Es ist eben nicht so einfach, die Uhren wieder zurückzustellen auf jenen 22. Mai 2005, als der neue, alte Parteivorsitzende Franz Müntefering die fatale Neuwahlentscheidung des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder verkündete. Dabei erwecken die jüngsten Personalien den Anschein, als wünsche die SPD inzwischen nichts sehnlicher als dies: die Selbstaufgabe von Rot-Grün ebenso ungeschehen zu machen wie den doppelten Rückzug ihres fähigsten Parteimanagers Franz Müntefering erst vom SPD-Vorsitz, dann von der Vizekanzlerschaft. Es fehlte nur noch, dass die Partei statt des Doppelgängers Frank-Walter Steinmeier doch noch den echten Gerhard Schröder als Kandidaten für die nächste Wahl ausriefe. Damit wäre dann das Werk vollendet, die vergangenen drei Jahre ungeschehen zu machen.
Die neuen Fakten sind aber nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Die vorgezogene Wahl wirkte als unerwarteter Katalysator für die Entstehung der neuen Linkspartei, und der Verlust der Kanzlerschaft setzte die zentrifugalen Kräfte innerhalb der SPD erst richtig frei, fast so, als wäre die Partei in die Opposition gewechselt. Insofern treten die Schröderianer jetzt als Bändiger eines Chaos auf, das sie selbst mit angerichtet haben. Der einzige, aus ihrer Sicht nicht zu unterschätzende Fortschritt ist: Erst das Scheitern des von der Parteilinken beförderten Experiments Beck hat bewirkt, was der frühere Bundeskanzler immer nur behauptet hatte. Es hat den Schröderismus personell und programmatisch vorerst alternativlos gemacht.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links