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Kommentar SPD nach den LandtagswahlenDie verklemmte Partei

Ulrich Schulte
Kommentar von Ulrich Schulte

Es zeigt sich, wie wenig die Wähler der SPD zutrauen. Sie hat weiter kein schlüssiges Programm, das sie attraktiv macht. Und tut sich schwer als Juniorpartner der Grünen.

O ffiziell ist die Welt der SPD in Ordnung. Ist doch wunderbar gelaufen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, lautet die Lesart von Parteichef Gabriel: Ein sicheres Ministerpräsidentenamt hier, eine historische Wende dort, wer kann mehr wollen? Sicher: Ein bisschen Schönfärben gehört zum Geschäft. Und Spitzenleute einer Partei neigen nach wichtigen Wahlen dazu, Negatives auszublenden. Doch die Realitätsumdeutung, die führende SPDler derzeit vornehmen, ist bemerkenswert. Und sie sagt viel über die Sozialdemokratie im Jahr 2011.

In Baden-Württemberg hat die Partei ihr schlechtestes Ergebnis seit Gründung des Landes eingefahren, sie ist hier nur noch drittstärkste Kraft. In Rheinland-Pfalz ist sie um fast zehn Prozentpunkte abgerutscht, so tief wie zuletzt in den 1950er Jahren. Selbst ein klarer Stimmungstrend gegen die schwarz-gelbe Koalition im Bund und gegen ihre Atompolitik hat die Sozialdemokraten nicht vor dramatischen Verlusten bewahrt. Angesichts dessen kann man kaum von Erfolgen reden. Die Ergebnisse sind Warnsignale für die SPD.

Klar zeigt sich, wie wenig die Wähler der Partei zutrauen. Ihr ist es immer noch nicht gelungen, ein schlüssiges Programm zu entwickeln, das sie attraktiv macht. Während die Linkspartei mit ihrem strikten Anti-Hartz-IV-Kurs wütende, auf sozialen Ausgleich bedachte SPD-Wähler abgreift, zielen die Grünen auf Bürger in der viel zitierten gesellschaftlichen Mitte, die die Energiewende wollen.

Bild: anja weber

ULRICH SCHULTE leitet das Inlands-Ressort der taz.

Dazwischen klemmt die SPD, die mal wirtschaftsnah daherkommt wie mit Olaf Scholz in Hamburg, gleichzeitig aber im Bund Hartz-IV-Pläne der Regierung geißelt. Die politische Konkurrenz besitzt also klare Profile, das der SPD wabert - nicht zuletzt deshalb, weil ihr Führungstrio aus unterschiedlichen Persönlichkeiten ebenso disparat und unberechenbar agiert.

Was der Partei in Baden-Württemberg passiert ist, ist ein schmerzhafter und psychologisch problematischer Abstieg. Musste sich die SPD bisher nur der CDU in Koalitionen unterordnen, wird nun eine ehemalige Kleinpartei den Ton angeben, die für Sozialdemokraten immer der Juniorpartner war. Nils Schmid scheint damit kein Problem zu haben, und er tut gut daran. Denn einerseits ist eine Koalition mit den Grünen im wirtschaftlich starken Baden-Württemberg für die SPD ideal, um in der Praxis auszuprobieren, wie sich Wirtschaft und Ökologie mit sozialem Ausgleich verbinden lassen. Andererseits ist Regieren die einzige Möglichkeit, um den Höhenflug der Grünen wenn nicht zu stoppen, dann doch zu erden.

Ähnlich rational müsste die SPD endlich auch mit der Linkspartei umgehen - wovon sie weit entfernt ist. In Sachsen-Anhalt weigert sich SPD-Chef Bullerjahn strikt, eine Regierungsbeteiligung unter einem linken Ministerpräsidenten in Erwägung zu ziehen. Hinter dieser Arroganz stecken die Furcht vor einer Kommunismuskampagne von CDU und FDP, aber auch die Hoffnung, die Linkspartei könne irgendwann wieder aus der Parteienlandschaft verschwinden. Mit Rationalität, oder gar: Pragmatismus, haben beide Gründe nichts zu tun.

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Ulrich Schulte
Leiter Parlamentsbüro
Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.
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6 Kommentare

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  • H
    Hans

    "In Baden-Württemberg hat die Partei ihr schlechtestes Ergebnis seit Gründung des Landes eingefahren, sie ist hier nur noch drittstärkste Kraft."

     

    Das sah der Spitzenkandidat aber anders. Nicht nur das, seine größte Freude galt dem Abschneiden der Linkspartei und auch sonst wirkte der Mann wie der eigentliche Gewinner des Abends. Und das macht auf mich den Eindruck, als wenn es für die SPD gar nicht mehr wichtig ist, wie gut oder schlecht sie ist, sondern wie gut oder schlecht sie in Relation zur Linkspartei, danach zur CDU/CSU ist.

     

    Diese Perspektive verrät auch den geistigen Defätismus der Partei, denn sie hat ihre Fähigkeit zur Hegemonie in Bundesländern und im Bund längst eingebüsst und muss vor allem auf starke Grüne bauen, diese allerdings auch fürchten.

     

    Langfristig wird die SPD nicht mehr damit rechen können, zur alten Stärke zurückzukehren zu können, denn die Hartz-Leiche, die Basta-Kanzlerschaft von Schröder, die abgehobene Bundestagsfunktionäre und die vielerorts absolut grauen Beamtenkarrieristen wirken sich negativ auf die Entwicklung einer neuen Parteikultur aus.

     

    Dazu kommt noch Rassismus aus der Mitte, bzw. warum die SPD nicht mit einem Sarrazin klar kommt. Gerade weil die SPD sehr fragil ist, kann sie mit einem ex-Senator offenbar nicht reinen Tisch machen, der im Prinzip die Gedanken der NPD hoffähig macht und dies gleichzeitig aber als sozialdemokratisch ettekiert. Wäre ein Sarrazin in den 1970ern oder 80ern noch aus dem Land geflohen, gehen heute die SPD-Funktionäre in Deckung.

     

    Der eine fürchtet den Austritt des rechten Flügels, der andere weiß nicht, was seine Wähler wollen und wer sie überhaupt noch sind. Für mich sind diese Wahlen ein Zeichen für die nachlassende Kraft der SPD. Die Grünen werden die SPD genausowenig retten, wie eine schwache Linkspartei deren Wohlergehen befördert, was der Spitzenkanidat in Baden-Württemberg wohl dachte.

  • B
    Becky

    Nicht nur die CDU ,FDP würde sich im Falle einer Koalition mit den Linken auf eine Kommunismusdebatte versteifen,sondern auch die Medien würden kräftig mitmischen ,allen voran Springer ,Bertelsmann und Spiegel(Liz Mohn und Friede lassen grüßen)

     

    Die SPD hat nunmal ihr Kernthema,soziale Gerechtigkeit geopfert und sich der neoliberalen Doktrin verschrieben.

    Leider wählen Neoliberale das Original,denn wirtschaftliberale und sozial gerechte Politik schließen einander nunmal aus.

    Nu ist die SPD zu einer CDU light verkommen und fungiert nurnoch als Steigbügelhalterpartei,mal ökologisch mal liberal,mal unter die Decke der CDU oder den Grünen,sowas ist doch keine Volkspartei.

  • B
    baranek

    Meines Erachtens ist die Analyse teilweise falsch. Die SPD hat keine "Stimmen verloren", sondern150.000 Stimmen genüber 2006 gewonnen. Bisher war es immer so: SPD stark, Grüne schwach und umgekehrt. Zusammen ist man nie über 35-37 Prozent rausgekommen. Das ist jetzt anders, weil Grüne tief in bürgerliche Klientel eingebrochen ist, was SPD nie gelungen ist und in BW nie gelingen wird ... Von daher ist das Fazit wieder in Ordnung.

  • A
    AndreasB

    Recht hat der Kommentator...Grundsätzlich zeigt sich, dass die Sozialdemokraten einen programmatischen Irrlauf nach dem anderen tätigen. In der Debatte zum Landswahlprogramm der NRW SPD wurde deutlich, wer da die Feder in der Hand hielt. Einzelne Bestrebungen den energiepolitischen Teil eine Öffnung zu den Erneuerbaren und mit einem klaren Profil zu versehen, wurden von der alten Garde komplett ausgebremst. Da halfen auch keine sogenannte Parteikonvente die im Stile eines Workshops abgehalten wurden. Einzelne, wie auch meine Person, die energisch einen Wandel forderten wurden konsquent isoliert und ausgegrenzt.....Das rächt sich nun konsequenterweise und wird zwangsläufig dazu führen, dass auch in NRW sich ein ähnliches Fiasko abzeichnen wird, ja wenn die SPD nicht endlich einen entsprechenden Umbau ihres Personals und der Programatik umsetzt. Dabei ist die Kombination soziale Gerechtigkeit und ökologischer Umbau unserer Gesellschaft ja geradezu ein Thema mit sozialdemokratischen Habitus und die Möglichkeit eine Positionierung in der neuen Bürgerschaft zu erreichen. Wenn Sozialdemokraten ihre Ziele und traditionelle Werte verknüpfen mit dem ökologischen Umbau, dann gibt es villeicht eine Zukunft und auch wieder das Vertrauen der Bürger...bis jetzt ist dies jedoch kaum zu vermelden.......leider

  • B
    bla

    "Während die Linkspartei mit ihrem strikten Anti-Hartz-IV-Kurs wütende, auf sozialen Ausgleich bedachte SPD-Wähler abgreift"

    ist das so? da würd ich aber gerne mal eine seriöse quelle sehen. ich habe nämlich dazu noch keine gefunden und gerade "die linke" ist doch eine partei die kaum von wirtschaftskrise, hartzIV, atom etc profitieren konnte.

    auch der vs nennt hierzu kaum anhaltspunkte, sondern eher dass die struktur heterogener ist, als hier dargestellt wird, wobei natürlich das ost/westgefälle und auch die "wählbarkeit" (s.bspw. k-"debatte") zu beachten sind.

    desweiteren sollte auch nicht unerwähnt bleiben, wie die grünen in den letzten 20 jahren gehandelt haben, welche dinge sie unterstützt haben und dies bis heute noch machen,aber sich dann gleichzeit nach aussen immer wieder positioniert haben.

    ich glaub, hier wird viel zu viel persönliche emotionalität mit reingenommen und das ewig gleiche spiel und die grundstrukturen ausser ach gelassen.

  • H
    hto

    Nichts ist FRAGWÜRDIG was das konfusionierend-blödsinnige Polittheater betrifft - VERKLEMMT in leichtfertiger Kapitulation vor dem System im geistigen Stillstand, ist jede wirklich vernunftbegabte Idee / Ideologie.