Kommentar Russlands Oppositionsbewegung: Mit Solidarnost gegen Putin
Das Bemühen, der Politik des Kreml etwas entgegensetzen zu wollen, verdient Respekt und muss nicht zwangsläufig misslingen.
Es gibt sie also noch, die russische Opposition. Jetzt schicken sich die versprengten und bislang politisch so gut wie bedeutungslosen Grüppchen an, aus ihrem Schattendasein in der gelenkten Demokratie à la Wladimir Putin herauszutreten. Dabei ist der Anspruch der am Wochenende gegründeten Bewegung Solidarnost unter der Ägide des früheren Schachweltmeisters Garri Kasparow alles andere als bescheiden: Schließlich dient die gleichnamige polnische unabhängige Gewerkschaft als Vorbild, die in den 80er-Jahren zu einer Massenbewegung avancierte und maßgeblich zum Sturz des kommunistischen Regimes 1989 in Polen beitrug.
Die jetzige Führung hinwegzufegen ist auch das erklärte Ziel der Solidarnost. Doch dafür sind die Voraussetzungen derzeit denkbar schlecht. Denn trotz politischer Repressionen, verbreiteter Korruption und wachsender Armut weiter Teile der Bevölkerung steht die Mehrheit der Russen immer noch geschlossen hinter ihrer Regierung. Hinzu kommt, dass die größtenteils gleichgeschaltete Medienlandschaft es Kritikern fast unmöglich macht, sich Gehör zu verschaffen. Zweifelhaft ist schließlich, ob die Vertreter der Opposition aus ihren Fehlern gelernt haben - Versuche Andersdenkender, sich zu einer russlandweiten Bewegung zu vereinigen, gab es schon viele. Diese Bemühungen scheiterten jedoch stets an den überspannten Ambitionen einzelner Leader sowie an der Frage, ob auch linke und nationalistische Kräfte mit ins Boot geholt werden sollten. Und der alles übertönende Ruf nach einem Sturz der Regierung überzeugt nicht als politisches Alternativprogramm. Das hat die Entwicklung in der Ukraine nach der orangenen Revolution von 2004 gezeigt.
Dennoch: Das Bemühen, der Politik des Kreml etwas entgegensetzen zu wollen, verdient Respekt und muss nicht zwangsläufig misslingen. Zulauf könnte die Opposition von denjenigen bekommen, die als erste Opfer der Finanzkrise Einschnitte bei Sozialleistungen hinnehmen müssen. Das ist, obwohl die Regierung noch das Gegenteil behauptet, nur eine Frage der Zeit. BARBARA OERTEL
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