Kommentar Russland und die Nato-Reform: Moskaus Spiel mit dem Papiertiger
Auf die Kooperation mit dem westlichen Verteidigungsbündnis steigt Moskau nur ein, weil es eine Beteiligung gefordert hatte und nun nicht mehr zurückkann.
D er Nato-Gipfel von Lissabon ist eine weitere Episode in der Reihe der gefeierten "historischen Ereignisse". Leider wird die vielgepriesene Aussöhnung Russlands mit der Nato ja immer wieder vom Alltag eingeholt. Ob Nato-Krieg in Jugoslawien oder im Irak, ob Russlands Einmarsch in Georgien, stets griff sich das Denken des Kalten Krieges Raum. Trotzdem: Die Absicht, gemeinsam das Problem eines europäischen Raketenabwehrsystems zu analysieren, ist ein Erfolg.
Der bedeutet aber nicht, dass Russland sich an diesem Schirm beteiligen wird. Noch schätzt Moskau die von den "Schurkenstaaten" ausgehende Bedrohung als vernachlässigbar ein. Anders als die Nato spielt die Gefährdung durch fundamentalistische Regime in der gegenwärtigen Militärdoktrin überhaupt keine Rolle. Auf die Kooperation mit dem westlichen Verteidigungsbündnis steigt Moskau daher nur ein, weil es eine Beteiligung gefordert hatte und nun nicht mehr zurückkann. Am Ende wird sich die Zusammenarbeit darauf beschränken, dass Russland die Bedingungen formuliert, unter denen die Errichtung eines Schirms tolerabel ist. Mit den Lissabonner Träumen von einer gemeinsamen Sicherheitspolitik hat das nichts zu tun.
Heute fühlt sich Moskau von der Nato nicht mehr bedroht. Dennoch braucht es das Bündnis: Die in der Sowjetunion geborene und im Geheimdienst sozialisierte politische Elite kommt ohne dieses Feindbild nicht aus. Es verdrängt die Frage, welche Rolle Russland in der globalisierten Welt noch spielen kann. Muss es sich nicht doch in ein Bündnis integrieren, um langfristig der Bedeutungslosigkeit zu entgehen? Die Nato ist der heimliche mastermind der russischen Politik. Niemand wird zulassen, ihn endgültig zu entdämonisieren.
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