Kommentar Rückgabe von Herero-Gebeinen: Keine Anerkennung
Die deutschen Streitkräfte begingen in Namibia einen Völkermord, das ist eine historische Tatsache. Nur die offiziellen Stellen wollen das nicht akzeptieren.
D eutschland hat ein äußerst selektives historisches Gedächtnis. Hitler kennt jeder, aber wer weiß noch, dass das Deutsche Reich einst auf der ganzen Welt Kolonien hatte? Ende des 19. Jahrhunderts versuchte Kaiser Wilhelm mit noch viel größerem Eifer als seine europäischen Rivalen, Territorien in Afrika an sich zu reißen.
Die Spuren davon sind in Namibia, Tansania, Burundi, Ruanda, Kamerun und Togo noch sehr lebendig. Nicht zuletzt, weil die Deutschen gegen Aufständische mit großer Brutalität vorgingen. In Deutsch-Ostafrika (Tansania) und in Deutsch-Südwestafrika (Namibia) bezahlten Anfang des 20. Jahrhunderts innerhalb weniger Jahre Hunderttausende von Menschen mit dem Leben dafür, dass sie sich gegen die Deutschen erhoben.
Bei der Niederschlagung des Herero- und Nama-Aufstands in Namibia begingen die deutschen Streitkräfte einen Völkermord. Das ist eine historische Tatsache, über die inzwischen weitgehend Konsens besteht. Aber offizielle Stellen wollen das bis heute nicht anerkennen.
ist Ko-Leiter des Auslandsressorts der taz und zuständig für die Afrika-Berichterstattung.
Im Zusammenhang mit der Rückgabe von Schädeln von Völkermordopfern spricht die Bundesregierung von "Schädeln verstorbener Angehöriger der Volksgruppen Herero und Nama". Kein Wort über die Todesumstände. Die gültige Beschlusslage des Bundestags dazu aus dem Jahr 2004 nennt den Genozid einen "Feldzug", als handele es sich um eine normale Episode der deutschen Militärgeschichte. Versuche, in Politik, Gesellschaft, Schulunterricht und Gedenkkultur auf deutsche Kolonialverbrechen hinzuweisen, stoßen immer wieder auf Ablehnung.
Deutschland hat noch viel aufzuarbeiten. Mit den Namibiern, die sich jetzt bei der Rückholung der Schädel ziemlich schäbig behandelt vorkommen, hat es eine Chance verpasst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken