Kommentar Rohstoffagentur: Knappheiten weiterdenken
Europa muss intensiver forschen, wie sich Wohlstand mit weniger Ressourcen erreichen lässt. Denn die Schwellenländer haben auf dem Weltmarkt aufgeholt.
M it der Gründung der Deutschen Rohstoffagentur haben Politik und Wirtschaft mit Wucht auf die Rohstoffknappheiten des 21. Jahrhunderts reagiert. Mit neuen Technologien wie etwa der Elektromobilität sind Metalle und Mineralien in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, die auf dem Weltmarkt zuvor kaum Beachtung fanden.
Noch in den 1970er Jahren war für die Wirtschaft in Europa der weltweite Zugang zu Eisenerz & Co so selbstverständlich, dass sie sich aus der Rohstoffgewinnung und -versorgung verabschiedete. Inzwischen haben die beteiligten Akteure umgesteuert. Forschungsinstitute wurden gegründet, die Industrie investiert in die Förderung.
Die Bundesregierung hat „Rohstoffpartnerschaften“ mit Ländern wie der Mongolei oder Kasachstan geschlossen und die Deutsche Rohstoffagentur gegründet, eine marktwirtschaftliche Antwort auf die aktive Rohstoffpolitik Chinas. Dort flankiert der Staat das Wachstum mit massiven weltweiten Investitionen. Zudem bleiben wichtige eigene Rohstoffe im Land: siehe die Seltenen Erden.
ist Redakteurin im Ressort Ökologie und Wirtschaft der taz.
Deutschland kann auf dieser Ebene kaum gegenhalten, weil eine demokratische Regierung nicht so agieren kann wie Chinas Politbüro. Hinzu kommen in Europa eine stagnierende Bevölkerung und niedrige Wachstumsraten, sodass sich Schwellenländer wie China und Brasilien künftig besser auf dem von den westlichen Industrieländern organisierten Weltmarkt werden durchsetzen können.
Europa hat daher keine andere Wahl, als noch intensiver darüber zu forschen, wie sich Wohlstand mit weniger Ressourcen erreichen lässt, und für ein internationales Rohstoffregime zu werben. Dazu gehören Ressourcensteuern und Mechanismen, um die Rohstoffgewinne gerecht zu verteilen. Beispielsweise von der Enquetekommission des Bundestages zur Nachhaltigkeit sind eher Lösungen für das Problem der knappen Rohstoffe zu erwarten als von der gestern gegründeten Agentur.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört