Kommentar Rente mit 65: Tohuwabohu bleibt aus
Gut, dass die Schutzklausel bleibt, die verhindern soll, dass Beschäftigte direkt aus dem Job heraus in die Kiste springen.
F ür Gerda R. ist der Beschluss des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) sicher bitter. Sie kann jetzt nicht mehr auf ihren Job setzen, um ihre mickrige Rente aufzubessern. Denn dem Hamburger Arbeitsgericht dürfte es nach den Luxemburger EuGH-Vorgaben schwer fallen, im anhängigen Arbeitsrechtsstreit noch positiv für die 66-Jährige zu entscheiden - wie es dies jüngst im Fall eines 65-jährigen Haltestellen-Wächters der Hochbahn getan hat, der auch länger arbeiten wollte.
Dennoch ist das Urteil der Luxemburger Richter zu begrüßen. Es gießt kein Wasser auf die Mühlen der Verfechter einer Rente mit 67 und lässt die tariflichen Regelungen unangetastet. Schließlich ist die Rente mit 65 von den Gewerkschaften als Schutzklausel durchgesetzt worden, um den Arbeitnehmern nach jahrzehntelanger Malocherei noch einen vernünftigen Lebensabend zu sichern - und zu verhindern, dass Beschäftigte direkt aus dem Job heraus in die Kiste springen.
Es wäre kaum auszudenken gewesen, was eine andere Entscheidung für ein Tohuwabohu ausgelöst hätte - in vielen Branchen ist die Rente mit 65 Jahren festgeschrieben. Das sollte die Unternehmen allerdings nicht daran hindern, Beschäftigte auch darüber hinaus zu beschäftigten. Nur eben im gegenseitigen Einvernehmen - Gerda R. wäre damit geholfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Twitter-Ersatz Bluesky
Toxic Positivity