Kommentar Räumung der Liebig 14: Verdrängte Freiräume
Rammböcke auf der einen, fliegende Flaschen und reichlich Wut auf der anderen Seite. Es wäre eigentlich ein altbekannter Konflikt: Staat gegen Chaoten. Aber so einfach ist es nicht.
Z weieinhalbtausend Polizisten kommen zum Einsatz, um in Berlin rund 25 Bewohner eines Hauses vor die Tür zu setzen. Rammböcke und Wasserwerfer auf der einen, fliegende Flaschen und reichlich Wut auf der anderen Seite bebilderten einen altbekannten Konflikt. Staat gegen Chaoten. Ordnungsmacht gegen anarchistische Szene.
Ach, wenn es nur so einfach wäre. Dann könnte man sich im Sessel zurücklehnen. Doch von der verbalen Zuspitzung profitieren nur die direkt Beteiligten. Linke Aktivisten können sich als widerspenstige Kraft imaginieren. Sicherheitsfanatiker von Polizei und Politik dürfen die Gefahr eines subversiven Gegners ventilieren, gegen den man sich verteidigen muss. Und Immobilienbesitzer können sich als Opfer inszenieren, die sich gegen den Diebstahl ihrer Häuser wehren.
Die Räumung gewinnt Bedeutung für alle, die nicht im eigenen Heim wohnen. Die Zentren vieler Großstädte sind längst wieder zu begehrten Wohngebieten geworden. Das Schlagwort von der Gentrifizierung macht die Runde. Zwar ist die Aufwertung bestimmter Stadtteile an sich erst mal nichts Schlimmes.
GEREON ASMUTH leitet das Berlin-Ressort der taz.
Allerdings gibt es kaum wirksame Steuerungsinstrumente für diesen Prozess. Die Politik leugnet entweder das Problem oder zeigt sich weitgehend ideenlos. Und selbst ein Mietvertrag, das zeigt nicht nur der Konflikt um die Liebigstraße, bietet keinen Schutz für die Bewohner.
Vor 20 Jahren waren die Altbauviertel in Ost-Berlin im Wortsinne ein Freiraum. Sie wurden besetzt, von zumeist jungen Menschen mit der Idee gefüllt, dort alternative Wohnformen auszutesten. Jetzt hat die Polizei in der Liebigstraße wieder einen Freiraum geschaffen. Doch steht außer Frage, dass für Ideen jenseits des Mainstreams dort kein Platz mehr sein wird.
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