Kommentar Quelle-Rettung: Neue Kultur der Härte

Politischer Held ist nicht mehr, wer angeblich Arbeitsplätze schützt - sondern wer das Steuergeld zusammenhält. Die Bürger beweisen Instinkt.

Quelle ist vorerst gerettet. Aber eben nur vorerst. Zu Jahresende dürfte das Versandhaus trotzdem pleite sein. Denn der Konzern kann nur überleben, wenn er einen neuen Investor, ein neues Geschäftsmodell und neue Kunden auftut. Quelle müsste sich also in wenigen Monaten völlig neu erfinden. Selbst in Boomzeiten wäre dies schwierig - mitten in der Krise ist es unmöglich.

Auf die fast unausweichliche Quelle-Pleite hat die Bundesregierung sehr pragmatisch reagiert: Den Massenkredit gab es nur noch gegen vorrangige Sicherheiten. Wenn Quelle tatsächlich in den Konkurs steuern sollte, dann zahlt nicht der Staat drauf - sondern die anderen, privaten Gläubiger.

Damit entspricht die Regierung genau dem Wunsch der Wähler, die es satt haben, dass sie immer neue Firmen mit Staatsgeld retten sollen. Laut einer Umfrage sind sogar im Opel-Stammland Nordrhein-Westfalen inzwischen nur noch 44 Prozent der Bürger dafür, Opel zu unterstützen.

Der Wahlkampf findet somit unter neuen Prämissen statt. Es entsteht eine ungekannte Kultur der Härte. Politischer Held ist nicht mehr, wer angeblich Arbeitsplätze schützt - sondern wer das Steuergeld zusammenhält. Die Bürger beweisen Instinkt: Freizügige Subventionen an Pleite-Unternehmen nutzen nie in erster Linie den Arbeitnehmern, die mittelfristig ihre Stellen dann doch verlieren - stattdessen profitieren vor allem die Investoren, die auf Staatskosten ihre Verluste reduzieren können.

So wird Quelle zum Symbol für die bisher ungelöste Frage: wie ist die steigende Zahl der Arbeitslosen aufzuhalten? Am Dienstag hat die Bundesagentur für Arbeit ihre neuesten Prognosen veröffentlicht: Rund 1,3 Millionen Menschen sind in Kurzarbeit beschäftigt. Es wird nicht lange dauern, bis viele ihre Stelle ganz verlieren. Jobs dauerhaft erhalten kann die Regierung nicht, wie Quelle zeigt - aber sie kann besser für die Arbeitslosen sorgen. Hartz IV ist keine Option.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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