Kommentar Putin soll Premier werden: Stabil undemokratisch
Die jüngste russische Personalrochade erinnert an frühere Zeiten, wo sich Vertreter der Kremlgarde gegenseitig für ihre grandiosen Erfolge beim Aufbau des Sozialismus lobten.
D em russischen Präsidenten Wladimir Putin und seinem wahrscheinlichen Nachfolger, Dmitri Medwedjew, sei Dank: Kremlastrologen haben dieser Tage wieder Hochkonjunktur. Nachdem Putin erst Medwedjew als Präsidentschaftskandidaten auf den Schild gehoben hat, revanchiert sich dieser nun prompt und schlägt Putin für das Amt des Regierungschefs vor. Derlei demonstrativ zelebrierte Geschlossenheit erinnert an frühere Zeiten, wo sich Vertreter der Kremlgarde gegenseitig für ihre grandiosen Erfolge beim Aufbau des Sozialismus lobten.
Viel deutet darauf hin, dass der jüngste Vorstoß von Medwedjew Teil eines Handels ist und ein weiterer Versuch von prominenter Stelle aus, für die kommenden Jahre Putins Verbleib an der Macht zu sichern. Zwar ist dieses Szenario keineswegs neu. Medwedjes Vorschlag enthebt Putin jedoch der Peinlichkeit, sich noch einmal selber für dieses Amt ins Gespräch zu bringen und wiegt weitaus schwerer als die landesweit gegründeten Komitees zur Unterstützung des Präsidenten.
Noch ist unklar, wie Putins Pläne genau aussehen. Sollte er jedoch tatsächlich neuer Premierminister werden, wäre auch eine Verfassungsänderung zu seinen Gunsten nicht ausgeschlossen - auch das wäre dann wohl ein Bestandteil der Absprache.
Doch unabhängig davon, wie sich der scheidende, über alle Maßen hofierte Präsident entscheiden wird und welche Personalrochaden in den nächsten Wochen und Monaten noch folgen werden - eine Botschaft ist klar: Russland wird nach den Präsidentschaftswahlen im März auch unter einem neuen Mann an der Spitze stramm auf Putin-Kurs bleiben. Damit wären dann alle Hoffnungen auf eine, wenn auch noch so minimale, Verschiebung von Akzenten in der Innen- und Außenpolitik endgültig zunichte gemacht. Die Mehrheit der Russen wie auch die politisch Verantwortlichen im Westen werden mit dieser Tatsache gut leben können. Denn das Zauberwort heißt Stabilität. Der Preis, zu dem diese erkauft wird, ist jedoch die Demokratie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!