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Ohne eine europäische Zivilgesellschaft wird es keine europäische Gesellschaft geben.
Wer die Verbreitung sozialkritischer Diskurse unterdrückt, indem er die dafür sensiblen sozialen Milieus einlullt, braucht nicht mit einer zukunftsadäquaten Transformation eines politischen Systems zu rechnen, welches angesichts gewisser Krisen in einem großen Katzenjammer die eigenen Strukturfehler und Versäumnisse besungen hat.
Motiviert durch das natürliche Unbehagen eines jeden Staates gegenüber sozialen Protesten, behindert man derzeit permanent die Entwicklung einer europaweiten Zivilgesellschaft. Dies geschieht, indem vor allem in den finanziell tragenden Staaten einer grundsätzlichen Reflektion über akute soziale Themen die Basis genommen wird - durch bekannte mediale Selbstreinigungsmechanismen. Trotz der Partizipation von Millionen von Menschen an dieser Weiterentwicklung unserer europäischen Kommunikationskultur!
Schade, denn mithilfe einer solchen diskursiven Dynamik hätte Europa endlich den lang ersehnten Anstoßpunkt für eine echte transnationale Kommunikationskultur gefunden ...
Ich halte es einfach für gefährlich, den Hunger der europäischen Gesellschaft nach Vernetzung zu unterdrücken!
Die EU ist für die Menschheit so nutzlos wie die Globalisierung der "Dienstleistungsgesellschaft", deshalb soll sie doch kaputt gehen, oder besser abgeschafft werden, wenn dann endlich eine Kommunikation OHNE die entmenschlichenden Symptomatiken des "freiheitlichen" Wettbewerbs kommt - Bildung zu Suppenkaspermentalität auf Sündenbocksuche in "Wer soll das bezahlen?" und "Arbeit macht frei" ein Ende!
Warum soll ein Schuldenmoratorium oder eine Staatspleite eigentlich nicht auch mit Euro möglich sein? Steht da ein Naturgesetz dagegen oder ist das nur ein selbst auferlegtes Denkverbot?
Nun rächt sich, daß die Europäische Union eine von den Regierungen durchgedrückte "Zweckehe" ist und keine von den Völkern getragene "Liebesheirat". Die meisten Menschen in EU-Ländern haben sich allenfalls mit der EU arrangiert, weil sie die materiellen Vorteile spürten.
Aber für jede Zweckehe gibt drei Arten der Fortsetzung:
- die romantische: Die Partner verlieben sich doch noch ineinander;
- die zähneknirschende: Man bleibt zusammen, weil die Vorteile die Nachteile überwiegen oder weil die Scheidungskosten zu hoch sind;
- die Scheidung wird eingereicht, weil einer der Partner das Gefühl hat, über Gebühr belastet zu werden, ohne daß eine Änderung absehbar ist.
Welche dieser Varianten zutreffen wird, ist momentan offener denn je - allenfalls die romantische wird zunehmend unwahrscheinlich.
Was der EU das Überleben schwer macht, ist, daß sie selbst in ihrer Entwicklung zu einer Demokratie den Mitgliedsstaaten weit hinterherhinkt. Dabei kann sie nur dann das Auseinanderbrechen verhindern, indem die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede in ihrem Inneren überbrückt werden und wenn es - wie beim Länderfinanzausgleich innerhalb der BRD - massive Transfers gibt. Deren Akzeptanz - sowohl hinsichtlich der Akzeptanz durch die Menschen als auch aus verfassungsrechtlicher Sicht - hängt entscheidend davon ab, daß die EU selbst grundlegend demokratisch wird.
Angesichts dessen, daß der Lissabon-Vertrag dies gerade nicht vorgesehen hat (sonst hätte man etwa dem Parlament auch die Möglichkeit gegeben, die Kommission abzuwählen), bleibt es spannend, wie es weitergeht.
Von Solidarität verstehen die meisten Regierungschefs ja auch nicht viel. Nur als leere Worthülse existiert sie. Wenn etwas schief geht, liegt es eben daran, dass man nicht genug auf den Markt vertraut hat. Aber was soll man von Betriebswirten auch anderes erwarten als Gefühlskälte und Berechnung?
"Das weltweit wichtigste Projekt aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts steht vor dem Scheitern, weil dummer nationaler Egoismus eine Lösung der Probleme verhindert."
Nun, "dumm" war wohl eher die voreilige und gegen allen ökonomischen Sachverstand durchgesetzte Einführung des Euros. Es hat damals nicht an Warnungen gefehlt. Das "Primat der Politik" ist halt auch nicht immer das Gelbe vom Ei.
Eine gewisse Regression ist jetzt wohl unvermeidlich, aber das muss nicht unbedingt das Ende der EU bedeuten. Rückzug, Frontbegradigung und Schadensbegrenzung ist manchmal eben das Vernünftigste, was man tun kann. Jetzt immer weiter zu stürmen - "ohne Rücksicht auf Verluste", "koste es was es wolle" - ist dagegen extrem risikoreich und n.m.E. dumm.
Die Staudammkatastrophe in der Ukraine läutet eine neue Dimension des Krieges ein. Das großflächige Sabotieren ist wohl ein Vorbote des russischen Rückzugs.
Kommentar Proteste in Griechenland: Europa schafft sich ab
Wer denkt, dass die Griechen selber Schuld an ihrer Lage sind, verkennt die komplexen Ursachen der Misere und nimmt billigend in Kauf, dass der Euro und die EU kaputtgehen.
Brennende Autos, attackierte Polizisten, schwerverletzte Demonstranten: Was sich in Athen und anderen größeren Städten des Landes abspielt, ist eine Tragödie. Manche tun diese Geschehnisse mit einem Schulterzucken ab oder meinen, die Griechen hätten halt nicht so viel Schulden machen sollen. Wer so denkt, verkennt aber nicht nur die komplexen Ursachen der Misere, sondern nimmt auch billigend in Kauf, dass der Euro und die EU kaputtgehen.
Das Austeritätsprogramm, das die EU den Griechen aufgezwungen hat, funktioniert nicht. Es kann gar nicht funktionieren, denn es zwingt die griechische Wirtschaft in eine Abwärtsspirale.
Darunter leidet die große Mehrheit der Bevölkerung, die sich deswegen völlig zu Recht zur Wehr setzt. Generalstreiks und Demonstrationen folgen in immer kürzeren Intervallen. Ministerpräsident Papandreou wird seinen Kurs nicht mehr lange durchhalten können.
Der Autor
Jürgen Gottschlich ist Türkei-Korrespondent der taz.
Wenn es so weitergeht, zwingt die EU die Griechen praktisch aus dem Euro heraus, damit diese ihre Währung abwerten und ein Schuldenmoratorium nach argentinischem Vorbild vorlegen können. Was für Griechenland gilt, könnte in naher Zukunft auch in Irland, Portugal und Spanien Realität werden. Der Auflösungsprozess des Euro - und dem folgend der gesamten EU - wird dann nur noch schwer zu stoppen sein.
Deutschland ist der Key-Player, wenn es darum geht, diese Entwicklung aufzuhalten. Aber die Bundesregierung steuert genau in die falsche Richtung. Mit dem Spruch: "Wir sind doch nicht die Zahlmeister Europas" wird die EU beerdigt.
Das weltweit wichtigste Projekt aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts steht vor dem Scheitern, weil dummer nationaler Egoismus eine Lösung der Probleme verhindert. Leider werden die meisten erst zu spät begreifen, was sie dann verloren haben.
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Kommentar von
Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
Seniorinnen in Deutschland
Sind wir altersrassistisch?
Die Realität der Altenpolitik führt zu würdelosen letzten Jahren in Ausgrenzung und Einsamkeit.
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