piwik no script img

Kommentar Politik der EZBBanken päppeln, Staaten strafen

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Aus Sicht der Europäischen Zentralbank ist alles ganz einfach: Banken sind gut, Staaten sind böse. Deshalb soll den Geldhäusern weiter geholfen werden. Das ist abstrus.

W ie sehr Ideologie das Hirn vernebeln kann, zeigt sich bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Denn sie sieht überhaupt kein Problem darin, die Banken mit Geld zu fluten. Diese dürfen sich jetzt für drei Jahre zu einem Zins von nur einem Prozent verschulden.

Die Banken bekommen diese Kredite also geschenkt, denn die Inflation liegt bekanntlich deutlich höher - aktuell bei 2,4 Prozent. Aber wehe, ein Staat will Geld von der Europäischen Zentralbank! Nein, das geht gar nicht. Stattdessen müssen sich die Euroländer auf dem freien Markt finanzieren - auch wenn sie dort wie Italien Zinsen von mörderischen 6 Prozent zahlen.

Aus EZB-Sicht ist die Welt also ganz einfach: Banken sind gut - und Staaten sind böse. Kreditinstitute gehen sorgsam mit dem anvertrauten Geld um, während Regierungen nur zur Verschwendung neigen. Deswegen werden die Banken gepäppelt, und die Staaten abgestraft.

taz
ULRIKE HERRMANN

ist wirtschaftspolitische Korrespondentin.

Diese Weltsicht ist abstrus. Es waren schließlich die Banken, nicht die Staaten, die die Finanz- und Eurokrise ausgelöst haben. Die Banker haben munter eine riesige Kreditblase aufgepumpt, um ihre Millionenboni zu rechtfertigen. Und als diese Blase platzte, wurden die Kosten auf die Regierungen abgewälzt.

Diese Zusammenhänge sind nicht schwer zu durchschauen - warum also werden sie von der EZB geleugnet? Oder genauer: von Bundesbank-Chef Jens Weidmann? Vielleicht ist die Erklärung ganz banal. Vielleicht geht es ums Überleben.

Die Bundesbank hat knapp 10.000 Beschäftigte, von denen viele überflüssig sind, seit es die Europäische Zentralbank gibt. Da braucht man einen "unique selling point", wie es in der Marketingsprache heißt. Und das Alleinstellungsmerkmal der Bundesbank war schon immer ihre Marktgläubigkeit.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • V
    Valentin

    Zuerst vielen Dank an Oberham für seinen kurzen Beitrag und seinen tollen Link. Er beschreibt sehr drastisch aber durchaus realistisch die momentane Situation.

     

    An Esco und chrisfre: Wenn Sie anfangen zu recherchieren, dann fangen Sie mal hier an:

    http://www.wissensmanufaktur.net/plan-b

    Da finden Sie schnell heraus, wo die Ursachen wirklich liegen.

     

    Und dann lasst uns GG Art.20 Abs 4 anwenden. Es wird Zeit.

     

    Valentin

  • RP
    Rolf Pfau

    Ein Geschäft an dem alle Beteiligten Verdienen ?

     

    Was wäre wenn Milchmädchen-Rechnung

    Ein verarmter Bankbesitzer findet in der Porto-Kasse noch 20 Millionen Euro.

    Diese 20 Millionen Euro überweist er an die EZB.

    Danach gewährt er einem „Euro-Pleitestaat“ einen Kredit in Höhe von 1000 Millionen (1 Mrd.) Euro zu 6,25% Zinsen pro Jahr. Nach dem ersten Jahr erhält er vom „Pleitestaat“ 62,5 Millionen Zinsen.

    Der hilfsbedürftige Banker hat nach dem ersten Jahr,

    trotz Einlage bei der EZB (20 Mill.) und Zahlung von 12,5 Mill. Provision an die EZB

    wieder schlappe 50 Millionen Euro in seiner Portokasse.

    Jetzt ist der „Pleitestaat“ -wie nicht anders zu erwarten war- tatsächlich Pleite und einigt sich mit dem Banker auf 40% Schulden-Erlass Der „Pleitestaat“ zahlt künftig jährlich nur noch 37,5 Millionen (6,25% von 600Mio.)Zinsen.

     

    Solange die EZB weniger als 3,75% Provision auf den ursprünglichen Kredit (1 Mrd. ) verlangt und der „Pleitestaat“ weiterhin treu und brav jährlich seine Zinsen bezahlt ist dieses Zinsdifferenzgeschäft ein kleines Zubrot für den eigentlich bankrotten Banker.

     

    Solange der „Pleitestaat“ jährlich 62,5 Mio. (6,25%) Zinsen bezahlt

    und sich die EZB sich mit 12,5 Mio. Provision (1,25% von 1 Mrd.) begnügt

    lässt es sich von 50 Millionen Zinsdifferenz (5%) auskömmlich leben.

     

    Nach der Pleite bleiben für den Banker (nur) noch jährlich 25 Mio. übrig.

     

    Mann sollte allerdings nicht vergessen, daß

     

    Die 5% Zinsdifferenz (Verkauf – Einkauf) einer Handelsspanne von 400% entsprechen

    Die 5% Zinsdifferenz immerhin 50 Mio. Euro sind

    Die Einlage von 20 Mio. jährlich 250% Gewinn abwirft Die 20 Mio. ja weiterhin da sind (als Sicherheit hinterlegt)

    Auch ein 40%iger Hair-Cut aus einem verarmten Banker noch lange keinen Sozialhilfe-Empfänger macht

    Kreditfinanzierte Staats-Schulden sind eine gigantische Umverteilung von fleißig und ehrlich (Otto-Normalverbraucher und Steuerzahler) nach reich (Finanz-Industrie)

    Wenn ihr mir nicht glaubt, dann fragt die PolitikerInnen die ihr gewählt habt. Wenn ihr denen auch nicht glaubt, dann informiert euch aus den Veröffentlichungen der EZB, Bundes-Bank, BaFin und Anderer zu den Themen Geldschöpfung, Zentralbankgeld, Giralgeld, Mindest-Reserve, Basel I, II, III, …

    Ist das was unsere PolitikerInnen tun eigentlich strafbare Untreue ?

    Wissen denn unsere PolitikerInnen worüber sie reden und was sie tun?

     

    Viel Spaß beim Nachdenken und Nachrechnen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Rolf Pfau

  • C
    chrisfre

    Jetzt hat wohl die Ermüdung hinsichtlich der nun schon

    täglichen Beschäftigung mit diesem Thema mir den Blick

    getrübt. Sorry, handelt es sich doch um die EZB! Und

    meine Anfragen zur Bundesbank sind auch obsolet, denn wer da wie regiert, ist ja bekannt. Ich dementiere meine Milchmädchennachfragen umgehend.

     

    Allerdings müssten auch für Herrn Draghi und Apparat gewisse Regelwerke bzw. ein Amtseid auf der Grundlage POLTISCHER ETHIK verbindlich sein. Oder ist auch diese

    Annahme naiv?

  • C
    chrisfre

    Danke für die klare Analyse und Kommentierung.

     

    Der Paradoxie dieses Mit-zweierlei-Maß-Agierens müsste doch juristisch beizukommen sein, oder irre ich da? Muss die Bundesbank nicht zum Wohl der Allgemeinheit, ergo der Bürger, sprich des eigenen Staats handeln?

     

    Wie groß sind die SPIELräume,wer macht(e)die Regeln?

    Welchen Statuten sind diese wohl überwiegend 'Herren' verpflichtet? Mussten sie bei ihrer Ernennung einen Amtseid ablegen, welchen? Durch welches Procedere, von welchem Gremium wird der Leitungsjob besetzt?

     

    Fragen über Fragen versäumter Staatsbürgerkunde. Ich

    werde recherchieren müssen.

  • E
    Esco

    Liegt es daran, dass die Bundesbank sonst überflüssig wäre oder liegt es daran, dass die Bundesbank von Lobbyisten korrumpiert wird, die nur die Interessen der Banken vertreten?

     

    Ich meine die Bundesbank setzt das Wohl der gesamten Eurozone aufs Spiel, ohne auch nur ein bisschen nachzugeben. Da muss doch was faul sein.

     

    Selbst die Inflationsangst Weidmanns sollte doch, wenn man ihr das Wohl Europas gegenüberstellt, schnell in sich zusammenfallen.

     

    Ich würde mich freuen, wenn Frau Herrmann dazu noch etwas tiefer bohren könnte. Momentan scheint es, jedenfalls meiner Meinung nach, keine verständlichen Gründe für das Vorgehen der Bundesbank zu geben. Zumindest keine, die mit gesundem Menschenverstand zu erklären wären.

     

    ps.: Vielen Dank für die tollen Artikel!

  • O
    Oberham

    Es ist einfach ein weiterer Schritt im Umverteilungsmonopoly - wobei das Volk sitzt längst im Gefängniss - und würfelt seit 3000 Jahren keine Sechs mehr..... -

     

    Die Gefängnissgitter sind allerdings unsere eigene Gier und unser eigener Neid....

     

    http://oberham.wordpress.com/2011/12/12/die-bilderberger-kennen-keine-gnade/

  • I
    Ihno

    In Deutschland haben Politiker _aller_ Parteien in den letzten zwanzig Jahren _immer_ gute Gruende gefunden warum der Staat sich weiter verschulden muss. in 2011 werden 10,5 % des Bundeshaushaltes nur fuer Zinsen aufgewendet. Selbst in Jahren in denen die Steuereinnahmen deutlich besser als erwartet sind (z.B. 2011) steigen die Schulden. Offenbar sind die Ratingagenturen die einzigen, die ueber die Kreditwuerdigkeit der Staaten die Politiker so wachruetteln, das sie das mit Sparen ernst meinen.

    Mein Mitleid mit den Staaten haelt sich da _sehr_ in Grenzen.