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Kommentar Pogrom-GedenkenWie im Kalten Krieg

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die Union will die Linkspartei bei einem Antrag zum 70. Jahrestag des Pogroms vom 9. November 1938 außen vor lassen - ein Rückfall in die Zeit vor 1989.

Bild: taz

Stefan Reinecke ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.

Antisemitismus ist in Deutschlands politischer Elite von heute geächtet. Es ist das Ergebnis eines zähen, langwierigen Prozesses. Der letzte Spitzenpolitiker, der mit antisemitischen Klischees hantierte, war Jürgen Möllemann - ohne, dass er daraus politisches Kapital schlagen konnte, im Gegenteil. Die Union hat mit dem Parteiausschluss von Martin Hohmann gezeigt, dass sie kein moralisches Ungefähr in Fragen des Antisemitismus duldet. Auch bei Oettingers Loblied auf Filbinger hat Merkel klargemacht, wo die rote Linie verläuft.

Diese Ächtung des Antisemitismus funktioniert auch als Brandmauer. Es ist kein Zufall, dass in Deutschland Parteien, die im Graubereich zwischen Rechtspopulismus und -extremismus agieren, weit weniger Zuspruch finden als in Österreich oder Frankreich. Kurzum: Die Formel von der Gemeinsamkeit der Demokraten mag abgewetzt und oft floskelhaft klingen, aber dass die politische Klasse Antisemitismus über alle sonstigen kratertiefen Differenzen hinweg ablehnt, gehört zum moralische Fundament dieser Republik.

Oder muss man sagen: gehörte? Im Bundestag sollte am 9. November ein Antrag aller Fraktionen zum 70. Jahrestag des Pogroms vom 9. November 1938 verabschiedet werden. Es wäre ein Symbol der demokratischen Gemeinsamkeit gewesen. Doch die Union will die Linkspartei außen vor lassen. Sie hat eine Passage in den Antrag aufgenommen, die die DDR ziemlich pauschal des Antisemitismus beschuldigt. Kein Missverständnis: Den antifaschistischen Mythos der DDR haben Historiker in den letzten 20 Jahren gründlich entzaubert. Doch was die Union tut, dient nicht der historischen Aufklärung. Es erinnert vielmehr stark an die Zeit, als die Bonner Republik und die DDR den Kalten Krieg auch geschichtspolitisch austrugen.

Die Union hat 2005 gemeinsam mit der Linkspartei einem Pro-Israel-Antrag zugestimmt. Warum geht jetzt nicht, was damals ging? Offenbar, weil die Union den Konsens in Sachen Antisemitismus für einen billigen Effekt opfert. Das ist eine politische Regression: ein Rückfall in die Zeit vor dem 9. November 1989.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

2 Kommentare

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  • K
    Knt

    "Den antifaschistischen Mythos der DDR haben Historiker in den letzten 20 Jahren gründlich entzaubert."

     

    holla! was hab ich da den nicht mitbekommen? jemand ne quelle für mich um das mal zu recherchieren?

  • J
    Justus

    Hm... Ehrlich gesagt wird es Zeit, dass der Antisemitismus in der DDR nicht nur unter Historikern debattiert wird sondern auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Wieviele Juden gab es nach '45 in der DDR und wieviele gab es '89?

     

    Im Übrigen scheint das eigentliche Problem nicht in der Frage der DDR-Geschichte zu liegen, sondern in der Gretchen-Frage der Linken "Wie hältst Du es mit Israel?". Solange wir nicht gemeinsam gegen den Al-Quds-Tag demonstrieren können, sondern uns dort auf beiden Seiten gegenüber stehen, so lange beschwere ich mich nicht, wenn die CDU ihren Finger in diese Wunde legt. Das ist deren Job als kommende Opposition ;-)