Kommentar Pierer: Da schluckt der Manager
Die Unternehmen beginnen zu erkennen, dass Korruption Gewinne nicht nur erhöhen, sondern auch senken kann. Rechtlich hat sich ebenfalls einiges bewegt.
G ut zwei Milliarden Euro hat Siemens die hauseigene Korruption inklusive der juristischen Aufarbeitung gekostet. Der ehemalige Vorstand und Aufsichtsrat Heinrich von Pierer hat deshalb nun eingewilligt, fünf Millionen Euro Schadenersatz zu zahlen. Das sind etwa 0,25 Prozent der Schadenssumme. Ist von Pierer also billig davongekommen? Nein. Der Exmanager verarmt zwar nicht – vermutlich muss er noch nicht einmal seinen Lebensstandard einschränken –, aber auch für Leute wie von Pierer sind Summen in der Größenordnung eines oder zweier Jahresgehälter keine Peanuts, sondern ein schmerzlicher Verlust.
Das beweist: Ein paar Kleinigkeiten haben sich doch geändert in den vergangenen Jahren. Außergewöhnlich war bei Siemens nicht nur, dass Schmiergelder im Rahmen der normalen Geschäftspolitik systematisch gezahlt wurden. Selten genug kommt es auch vor, dass ein Konzern gegen ehemalige Vorstände und Aufsichtsräte eine Schadenersatzklage in Millionenhöhe anstrengt.
Die Unternehmen beginnen zu erkennen, dass Korruption Gewinne nicht nur erhöhen, sondern auch senken kann. Rechtlich hat sich ebenfalls einiges bewegt. Früher konnten die Firmen Schmiergelder beim Finanzamt noch als Betriebsausgaben einreichen. Heute müssen Vorstände und Aufseher mit Haftungsklagen rechnen, wenn sie sich und ihren Kollegen illegale Praktiken durchgehen lassen. Die ökonomische, politische und juristische Lage hat sich auch deshalb verschoben, weil manche Manager es zu toll trieben und ihnen die Öffentlichkeit jetzt eher auf die Finger schaut.
Hannes Koch ist taz-Autor.
Dies gilt auch für Bankmanager, die waghalsige Geschäfte machten und ihre Institute in die Finanzkrise und den Bankrott steuerten. Eine Strafanzeige gegen die Münchner Hypo Real Estate liegt bereits vor. Schadenersatzklagen gegen die ehemaligen Vorstände dürften folgen. Eine gute Entwicklung, die den Chefs des großen Geldes etwas mehr Selbstbeschränkung abnötigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Russlands Nachschub im Ukraine-Krieg
Zu viele Vaterlandshelden