Kommentar Pflege für Demenzkranke: Nicht nur ein Familienschicksal
Demenzkranke als pflegebedürftig einzustufen, auch wenn sie körperlich noch fit sind, ist richtig. Für Alzheimerkranke und deren Angehörige ist das eine gute Nachricht.
E s ist ein richtiger Schritt - auch wenn das Problem erst mal nur benannt wurde und noch lange nicht gelöst ist. Nach dem am Montag von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmitt vorgestellten Bericht soll es künftig einen neuen Begriff von "Pflegebedürftigkeit" geben, in dem auch Demenzkranke eine Einstufung bekommen, selbst wenn sie körperlich noch fit sind.
Barbara Dribbusch ist Sozialredakteurin der taz.
Für hunderttausende Alzheimerkranke und ihre Angehörigen ist das eine gute Nachricht. Käme der Gutachter ins Haus, würde dann auch nach kognitiven Einschränkungen und problematischen Verhaltensweisen gefragt und nicht nur danach, ob sich Vater oder Mutter noch die Zähne selbst putzen können.
Der Vorstoß von Ulla Schmidt umgeht allerdings die Finanzierungsfrage. Und das ist das Problem.
Schmidt plädierte für einen "Weg der Kostenneutralität". Die Wortwahl macht klar, dass sie derzeit vor allem eines vermeiden möchte: eine neue Verteilungsdiskussion im Wahlkampf, in der die SPD als die Partei dastehen könnte, die höhere Beiträge erheben will, zum Beispiel für die Pflegeversicherung. Denn während im Moment Milliarden an Euro für die Abwrackprämien für Altautos herausgehauen werden, sind höhere Abgaben für die Mittelschicht ein unsexy Thema, auch wenn es um die Versorgung alter, schwacher Menschen geht.
Die Organisation und Bezahlung von deren Pflege wird vor allem privat, an den Abendbrottischen der erwachsenen Kinder ausgehandelt. Doch um die Grundfrage kommt keine künftige Gesundheitsministerin herum, sie wird uns in den nächsten Jahren begleiten. Die Frage nämlich, ob sich die Demenz künftig noch mehr zum auch wirtschaftlichen Familienschicksal entwickelt oder die Allgemeinheit mehr von dieser Last übernimmt.
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