Kommentar Peer Steinbrück: Nur die Performance stimmt
Er mag die Aura der machtpolitischen Unverletzbarkeit der Kanzlerin ankratzen. Das ändert nichts daran, dass er das sozialdemokratische Dilemma perfekt verkörpert.
M an sieht nun klarer, was Peer Steinbrück gegen Angela Merkel als Herausforderer kann – und was nicht. Er hat es in der gestrigen Bundestagsdebatte geschafft, die Kanzlerin, die so gern präsidial über dem kleinteiligen politischen Alltaggeschäft schwebt, zu erden und durch präzise Angriffe zur Landung zu zwingen.
Es ist ja schlicht richtig, dass Merkel ein Doppelspiel treibt. Zu Hause lässt sie in der schwarz-gelben Koalition „Mobbing gegen Griechenland“ (Steinbrück) und verquere Ressentiments gegen Deutschland als EU-Zahlmeister zu, in Brüssel erscheint sie stets verlässliche Europäerin.
Dieser erste rhetorische Schlagabtausch, gleich über das Schlüsselthema des Wahlkampfs 2013, hat gezeigt, dass Steinbrück etwas beherrscht, was Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel nicht richtig zuzutrauen ist. Er kann sich als Gegner auf Augenhöhe inszenieren. Wenn Steinmeier, der Polittechnokrat, mal so richtig angriffslustig wird, hat das stets etwas Bemühtes. Bei Gabriel fehlt es am Seriösen, Staatsmännischen. Was die Performance betrifft, kann Steinbrück der Kanzlerin das Wasser reichen. Das ist angesichts von Merkels Aura, machtpolitisch geradezu unverletzbar zu sein, schon etwas wert.
Probleme, den Dissens zu formulieren
Auf der anderen Seite wird Steinbrück das strategische Dilemma der Sozialdemokraten nicht lösen. Er verkörpert es selbst geradezu. Die SPD hat in allen wesentlichen Euro-Entscheidungen mit Merkel gestimmt. Da wird es schwierig, scharfen Dissens zu markieren. Doch wenn nicht klar ist, dass die SPD etwas fundamental anderes will als Schwarz-Gelb, wird der Lagerwahlkampf nur eine hübsche Idee bleiben. Und ohne Lagerwahlkampf, ohne ein zentrales Streitthema, wird Rot-Grün gegen Merkel, die sich geschickt in der Mitte zu inszenieren versteht, 2013 keine Chance haben.
Steinbrücks Kritik hatte zudem eine auffällige Neigung ins Retrospektive. Die Kanzlerin hätte schon vor zwei Jahren so europafreundlich reden sollen, wie sie es jetzt tut, und überhaupt hätte sie besser auf die SPD gehört.
Das erinnert an die große Koalition, als SPD-Minister Konzepte gegen die Krise auf den Tisch legten, etwa das Konjunkturprogramm und das Kurzarbeitergeld, die Merkel später durchwinkte. Doch Recht gehabt zu haben und stets früh gefordert zu haben, was die Kanzlerin später tat – mit dieser Haltung gewinnt man Bundestagsdebatten. Keine Wahlen.
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