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Kommentar Peer SteinbrückNur die Performance stimmt

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Er mag die Aura der machtpolitischen Unverletzbarkeit der Kanzlerin ankratzen. Das ändert nichts daran, dass er das sozialdemokratische Dilemma perfekt verkörpert.

M an sieht nun klarer, was Peer Steinbrück gegen Angela Merkel als Herausforderer kann – und was nicht. Er hat es in der gestrigen Bundestagsdebatte geschafft, die Kanzlerin, die so gern präsidial über dem kleinteiligen politischen Alltaggeschäft schwebt, zu erden und durch präzise Angriffe zur Landung zu zwingen.

Es ist ja schlicht richtig, dass Merkel ein Doppelspiel treibt. Zu Hause lässt sie in der schwarz-gelben Koalition „Mobbing gegen Griechenland“ (Steinbrück) und verquere Ressentiments gegen Deutschland als EU-Zahlmeister zu, in Brüssel erscheint sie stets verlässliche Europäerin.

Dieser erste rhetorische Schlagabtausch, gleich über das Schlüsselthema des Wahlkampfs 2013, hat gezeigt, dass Steinbrück etwas beherrscht, was Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel nicht richtig zuzutrauen ist. Er kann sich als Gegner auf Augenhöhe inszenieren. Wenn Steinmeier, der Polittechnokrat, mal so richtig angriffslustig wird, hat das stets etwas Bemühtes. Bei Gabriel fehlt es am Seriösen, Staatsmännischen. Was die Performance betrifft, kann Steinbrück der Kanzlerin das Wasser reichen. Das ist angesichts von Merkels Aura, machtpolitisch geradezu unverletzbar zu sein, schon etwas wert.

Bild: taz
Stefan Reinecke

ist Parlamentskorrespondent der taz.

Probleme, den Dissens zu formulieren

Auf der anderen Seite wird Steinbrück das strategische Dilemma der Sozialdemokraten nicht lösen. Er verkörpert es selbst geradezu. Die SPD hat in allen wesentlichen Euro-Entscheidungen mit Merkel gestimmt. Da wird es schwierig, scharfen Dissens zu markieren. Doch wenn nicht klar ist, dass die SPD etwas fundamental anderes will als Schwarz-Gelb, wird der Lagerwahlkampf nur eine hübsche Idee bleiben. Und ohne Lagerwahlkampf, ohne ein zentrales Streitthema, wird Rot-Grün gegen Merkel, die sich geschickt in der Mitte zu inszenieren versteht, 2013 keine Chance haben.

Steinbrücks Kritik hatte zudem eine auffällige Neigung ins Retrospektive. Die Kanzlerin hätte schon vor zwei Jahren so europafreundlich reden sollen, wie sie es jetzt tut, und überhaupt hätte sie besser auf die SPD gehört.

Das erinnert an die große Koalition, als SPD-Minister Konzepte gegen die Krise auf den Tisch legten, etwa das Konjunkturprogramm und das Kurzarbeitergeld, die Merkel später durchwinkte. Doch Recht gehabt zu haben und stets früh gefordert zu haben, was die Kanzlerin später tat – mit dieser Haltung gewinnt man Bundestagsdebatten. Keine Wahlen.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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7 Kommentare

 / 
  • AR
    Antoninus R.

    Ja "Performance"? Nicht Installation? Kunstübung? Rhetorik? Selbstbewusstsein? Männlichkeitsgetue? (Zehn mal die Anrede "Frau Bundeskanzlerin! So dass man es schon nicht mehr für wahr hält!) Gebabe? Gebahren?

    Ach: Männlichkeitsgebahren!

  • O
    Overstolz

    Gute Beobachtungen. Zu Neubau oben, ja stimmt ab und zu, was du da sagst, aber SPD ist eben Altbau, hat mehr Prozente(ich breche mal das Tabu, das Taz-Blogger grundsätzlich nicht aufeinander eingehen).

    Mir geht etwas anderes auf die Nerven:

    Die EU hat seit Jahren das Subsidiaritäts-Prinzip über den Haufen geschmissen, also die Idee, Probleme möglichst soweit unten zu lösen wie möglich, auf der Ebene, wo sie anfallen, regionale Verschiedenheiten zu erlauben, inklusive Austrittsklauseln für Länder. Man kann auch ein wirtschaftliches Powerhouse sein, ohne alles per Fiskalpakt plattzuwalzen.

     

    Dass der Bericht der Troika in Quarantäne gestellt wurde, weil alle hypernervös wissen, dass GR die Auflagen nicht erfüllt hat, ist ein Symptom davon.

     

    Stattdessen werden die Verursacher der Krise mit Krediten überhäuft. Jetzt haben wir Gipfelstürmer und einen autoritären Zentralismus ohne Parlamente, den kein Wähler abgesegnet hat - und der trotzdem vielleicht der letzte Weg ist, der wieder aufkommenden globalen Spielsucht und verbrecherischen Kasinomentalität einen Riegel vorzuschieben. Wenigstens ein paar Länder erheben die Transaktionssteuer(vom Prinzip her richtig, von der Größenordnung her Peanuts).

     

     

     

    Ein bisschen mehr Zynismus über politische Prozesse in der EU

  • S
    Synoptiker

    Ja,ja, kritisches Hinterfragen? Geht nur bedingt, weil der Beitrag auch regional tauglich sein muss! Und das ist ja auch unser Problem. Nicht nur die Politik auch die Medienberichte ähneln sich. CDU/CSU,SPD,FDP, Grüne alle betreiben marktradikale, neo-liberale Politik zu Gunsten der Finanzwirtschaft. Die normale Bevölkerung wird durch Reformen verängstigt, die Presse liefert die Begleitmusik dazu.Am Ende trötet jeder kleinste Lautsprecher: ja, wir brauchen Reformen, ja, wir müssen sparen! Warum ist unsere Presse so angepasst - Stefan?

    Warum gibt es diesmal keine Wechselstimmung? Ich kann es dir sagen, Weil es der normalen Bevölkerung egal ist , ob es Merkel oder Steinbrück sein werden.

    Die einst festen Wählerbastionen gibt es nicht mehr, die Presse und die Medien stilisieren aber immer wieder diese blöden Zweikämpfe - warum ? Kümmert euch mehr um die kleinen Parteien! Schafft endlich die Hybris und die Ausgrenzung ab, damit ein anderes Klima für andere Politik in Deutschland geschaffen wird.

  • N
    neubau

    Weißt du, Stefan - die LINKE erzählt doch eigentlich genau das auch immer, und der Gregor erdet die Merkel doch auch immer wieder. Nur ist das euch nie einen Bericht wert. Seltsam? Seltsam!

  • D
    Detlev

    Es stimmt schon, Peer Steinbrück bringt Merkel in Bedrängnis. Die Frage aber lautet, wie? Und da kommt er als die nachgebesserte Variante von Merkel und ihrer bürgerlichen Regierung daher. Ein weiteres Problem für Steinbrück ist weit problematischer: Die SPD hat ein Identitätsproblem und ein Strukturproblem. War die Partei früher für die Angestellten/Arbeiter der unteren Mittelschicht zuständig, ist Peer Steinbrück nur noch ab der oberen Mittelschicht ein Reißer.

     

    Die SPD hat viele Mitglieder und viel Sympathie verloren, seitdem sie mit Hartz-IV vor allem gegen Arbeitslose und Arme aktiv wurde. Dazu kommt: Die Partei kann einen guten Wahlkampf nur noch durch Spenden aus der Wirtschaft finanzieren und konkurriert dort mit dem politischen Gegner, vor allem der FDP. Da nichts auf dieser Welt umsonst ist, wird die Partei sich den größten Gebern auch politisch annähern müssen, was wohl dazu führt, dass bei Peer Steinbrück ein Wahlkampf herauskommt, der von vornherein nicht mehr für 50 plus X, sondern allenfalls für 20 plus X reicht. Für einen Regierungswechsel wohl zu wenig, für eine Show reicht's aber.

  • U
    Untertan

    Guter Kommentar! Ich würde mir, wie Celsus, etwas mehr kritisches Hinterfragen wünschen: zum Beispiel:

    Kurzarbeitergeld: Wie hat es gerade ThyssenKrupp mit seinem Aufsichtsrat Peer Steinbrück geschafft, sich einen großen Teil des sogenannten Kurzarbeitergeldes zu sichern, von dem in erster Linie der Arbeitgeber profitiert und der Arbeitnehmer nur, wenn der Arbietsplatz tatsächlich gesichert werden kann, aber niemand den Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitsplatz eine gewisse Frist zu garantieren?

     

    @celsus

    Die Kanzlerin mag der Wirtschaftslobby folgen. Peer Steinbrück ist die Wirtschaftslobby.

  • C
    Celsus

    Genau so sehe ich das auch. Beim Doppelspiel bleibt noch zu ergänzen, dass das allerdings der SPD-Mann auch beherrscht. Zu deutlich versteckt sich doch hinter der Beinfreiheit der SPD, dass die mit wenig greifbaren Versprechen Wahlkampf machen udn danach tun wollen, was die Wirtschaftslobby von ihnen verlangt.

     

    Die SPD als Alternative zur CDU? Das greift relativ kurz, weil es noch mehr Parteien gibt, die antreten. Aber genau diesen sophistischen Trick lieben ja die beiden großen Parteien. Es suggeriert eine Wahl nur zwischen 2 Parteien oder 2 Kandidaten.