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Kommentar Oury JallohBlamage der Justiz

Christian Jakob
Kommentar von Christian Jakob

Schwarze sind nicht so viel wert wie Weiße. Das ist das Signal, das gesendet wird, würde das Verfahren um den Tod von Oury Jalloh tatsächlich ohne Aufklärung eingestellt.

D er Vorwurf steht im Raum, seit Oury Jalloh starb: Die mit dem Fall befasste Justiz will gar nicht so genau wissen, wie der Afrikaner im Jahr 2005 in Dessau wirklich zu Tode kam. Zu dramatisch könnten die Folgen für den Staat sein, wenn herauskäme, dass Jalloh sich gar nicht selbst angezündet hat.

Jetzt hat die Justiz diesen ungeheuerlichen Verdacht noch einmal selbst genährt: Kurz vor Ende des Revisionsprozesses, der so zäh und für die Familie des Toten bestürzend verlaufen ist wie jener der ersten Instanz, wollte sie das Verfahren einstellen. Ohne Urteil – und ohne genauere Kenntnis über den Tag, an dem Jalloh verbrannte.

Die Einstellung haben die Richter unter anderem „wegen der langen Verfahrensdauer“ angeregt – ganz so, als sei es dem Gericht und dem angeklagten Polizisten nicht zuzumuten, sich noch länger mit dem Fall zu befassen. Was, wenn nicht der grausige Todesfall in einem deutschen Polizeirevier, soll eigentlich geschehen, damit ein Verfahren so lange geführt wird, wie die Klärung eben dauert?

Der Autor

Christian Jakob ist Redakteur im Ressort taz eins.

Offenbar wollte das Gericht die lästige Angelegenheit ein für alle Mal loswerden und die Schuld am sich abzeichnenden Scheitern des Prozesses zur Hälfte der Staatsanwaltschaft aufhalsen. Die Kammer hätte dabei hingenommen, von den Polizisten belogen worden zu sein, und sich ohne Not der Aufgabe entzogen, alles Mögliche für die Aufklärung des Todes von Jalloh zu tun.

Das Signal, das davon vor allem für schwarze Menschen in Deutschland ausgeht, ist verheerend: Ihr Leben ist eben doch nicht genauso viel wert wie das eines Weißen – so wird der Fall Jalloh in farbigen Communitys hierzulande interpretiert. Niemand dort glaubt, dass die Justiz sich Ähnliches leisten könnte, wenn ein Deutscher unter Umständen stirbt wie Jalloh.

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Christian Jakob
Reportage & Recherche
Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social
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10 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • DS
    Der Sizilianer

    Hallo Frau Müller,

     

    danke für ihr rassistisches Statement.

     

    Ihnen kommt ja offensichtlich noch nicht einmal in den Sinn, dass ein Mensch sowohl eine schwarze Hautfarbe als auch einen deutschen Pass haben könnte.

     

    Ihnen kommt ja offensichtlich auch nicht in den Sinn, dass auch Menschen, die mit Drogen handeln oder sich besaufen Menschenrechte haben könnten - selber schuld, wenn die sich mit ihren Händen auf den Rücken gefesselt "selber anzünden".

     

    Wenn mir demnächst in einer Diskussion wieder mal jemand erzählt, es gäbe doch keinen Rassismus und keine Menschenfeindlichkeit in Deutschland (außer bei Neonazis), dann werde ich ihn oder sie auf diese Kommentarspalte hier verweisen.

     

    Ansonsten: Schön, das auf taz.de auch noch mal sinnvoll und spannend diskutiert wird - ohne, dass bereits alles von Nazi- und PI-Trolls zugespamt ist.

  • DS
    Der Sizilianer

    Hallo Frau Müller,

     

    danke für ihr rassistisches Statement.

     

    Ihnen kommt ja offensichtlich noch nicht einmal in den Sinn, dass ein Mensch sowohl eine schwarze Hautfarbe als auch einen deutschen Pass haben könnte.

     

    Ihnen kommt ja offensichtlich auch nicht in den Sinn, dass auch Menschen, die mit Drogen handeln oder sich besaufen Menschenrechte haben könnten - selber schuld, wenn die sich mit ihren Händen auf den Rücken gefesselt "selber anzünden".

     

    Wenn mir demnächst in einer Diskussion wieder mal jemand erzählt, es gäbe doch keinen Rassismus und keine Menschenfeindlichkeit in Deutschland (außer bei Neonazis), dann werde ich ihn oder sie auf diese Kommentarspalte hier verweisen.

  • M
    maoam

    "06.03.2012 18:39 Uhr

    von Frau Edith Müller:

     

    Wäre ich Schwarzer in Deutschland, würde für mich das Signal ausgehen: Benehme dich ordentlich in Deutschland; handle nicht mit Drogen; besauf dich nicht sinnlos, so dass du nicht mehr weißt, was du tust und sei dankbar für die bisherige Gastfreundschaft."

     

    ........ANSONSTEN WIRST DU ERMORDET.

  • A
    antiantiantianti

    Wenn man also bei einem Prozess nicht zu einem Ergebnis kommt muß man ihn so lange durchführen bis das Volk zufrieden ist?

  • BU
    blick ueber den kanal

    manchmal hilft ein blick von aussen um klar zu sehen: http://www.irr.org.uk/2012/january/ha000005.html

  • W
    W.Seinert

    Lieber S.Weinert,

    es freut mich für Sie, wenn Sie solcher Ideale vom Rechtsstaat weiterhin frönen können.

    George Orwell wäre stolz auf Sie. Volle Überwachung = Ende von Machtmissbrauch und Polizeiwillkür?

     

    Dieser Fall ist nicht einmalig. Wenn Sie selber schon nicht das Verhalten von Polizei- (und allen sonstigen Beamten) mit Menschen nichtweißer Hautfarbe erleben konnten, dann überwinden Sie Ihre Staatsgläubigkeit und deutsche Scheuklappenmentalität wenigstens dadurch, sich auf die Berichte von Gruppen wie der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh e.V. , The VOICE Refugee Forum, Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen etc. einzulassen. Es gibt ein strukturelles Problem im Umgang von Staatsgewalt mit Menschen, die nicht genug "deutsche" Merkmale aufweisen. Und dieses strukturelle Problem ist 1000 Mal dokumentiert (u.a. von ARI-Dokumentation), von den Betroffenen angeklagt und gehört gefälligst respektiert!

     

    Warum es nicht primär um gerichtliche Rosinen oder Rechtsreförmchen geht, ist jawohl klar: Es muss eine Anerkennung des strukturellen Rassismus geben, der in der deutschen Gesellschaft vorherrscht. Und dieser gehört massiv bekämpft.

    Wer sich aber nicht einmal vorstellen kann, dass Polizeibeamte rassistische Einstellungen haben können, der gehört mit zu den selben Verhältnissen, die Fälle wie Oury Jalloh oder den im polizeilichen Brechmitteleinsatz in Bremen gestorbenen Laye Konde immer wieder produzieren!

  • E
    Eremit

    Ach, das hat (aktuelle Fälle eingerechnet) nicht mit Rassismus zu tun. Polizisten dürfen Kinder Prügeln, Passanten mit Pfefferspray traktieren, Beweise fälschen usw usf, und wenn nicht gerade jemand mit laufender Kamera daneben steht, hat der Bürger keine Rechte sondern wird noch wegen Widerstand belangt...

    Demonstranten zu erschießen, ist laut EU Gerichtshof für Menschenrechte zulässig (Genua).

    --ist also nicht mal ein Deutsches Problem.

     

    Rechtsstaatlichkeit gibt es nur, um mißliebigen Ländern dessen Fehlen vorzuwerfen. Ansonsten hat Polizei und Justiz so reaktionär wie möglich zu sein.

     

    So wie Sozialstaatlichkeit ist auch Rechtsstaatlichkeit veraltet, seit man gegenüber dem Ostblock nicht mehr gut aussehen muß. Gewöhnt Euch dran...

  • SW
    S. Weinert

    Gar nicht so schlecht, Herr Jakob. Noch ein Schuss mehr Polemik und bei der gewöhnlichen taz-Leserin werden Endorphine freigesetzt. Und wenn sie dann auch noch schreiben, dass der Befehl zur Hinrichtung von "ganz oben" gekommen ist, gibt's beim taz-Leser eine Erektion...

     

    Schluss mit Polemik, denn nichts eignet sich schlechter dafür, als der Fall Jalloh. Eigentlich wäre dieser Fall dafür prädestiniert, eine breite Front zu schaffen, um Regelungen des Gefahrenabwehr- und Prozessrechts zur allgemeinen Diskussion zu stellen und endlich eine Anpassung des Rechts an tatsächliche Gegebenheiten zu erreichen. Stattdessen reibt sich die taz auf Nebenkriegsschauplätzen auf, - diesmal jedoch in bester journalistischer Gesellschaft. Ist die Auflage immer noch wichtiger, als das Ergebnis?

     

    Sie schreiben, die Justiz würde anders handeln, wenn es sich nicht um einen Afrikaner gehandelt hätte? Sie waren nocht nicht bei vielen Strafprozessen persönlich zugegen, insbesondere im Bereich Organisierte Kriminalität. Was soll das Gericht machen, wenn "Zeugen" abgesprochene Geschichten präsentieren, die nicht zu widerlegen sind? in dubio contra reo, wenn es das Volk verlangt? Schmutzige Freisprüche wird es immer geben, ich habe zu viele selbst erlebt. Ein neues Brandgutachten einholen? Was soll das sieben Jahre nach der Tat bringen, der Sachverständige wird nur eine sanierte Zelle vorfinden und nichts mehr, was mit der Tat in ursächlichem Zusammenhang steht. Und der gerichtliche Verweis auf eine überlange Verfahrensdauer purer Abwehrmechanismus zur Deckung der Schuldigen? Leider von der - eigentlich von der taz immer vergötterten - EMRK genau so gefordert. 2011 wurde dies auf Druck der EU sogar zu förmlichen Gesetz...

     

    Nein, nach all dem Versagen bei der Polizei und Staatsanwaltschaft nun die Sache zu einer Blamage der Justiz zu erklären ist zu sehr simplifiziert und wirkt geradewegs als Schutz der wirklich Verantwortlichen.

     

    Die Lehren aus dem Fall müssten deutlich weitreichender sein:

     

    1. Vermeidung von Interessenkonflikten. Die Staatsanwaltschaft (Vorgesetzte der Polizei) darf bei Verdacht eines Vergehens/Verbrechens seitens ihrer Untergebenen die Ermittlung nicht mehr selbst führen, das Verfahren ist an eine andere Dienststelle abzugeben.

     

    2. Einschränkung datenschutzrechtlicher Bestimmungen innerhalb von Gewaltverhältnissen. Jeder Vollzugsakt, von der Durchsuchung eines Festgenommenen über die Befragungen bis zur Unterbringung muss beweissicher auf Videomaterial festgehalten werden. Flure sind ebenfalls per Videoaufzeichnung zu überwachen, die Schlösser der Zellentüren elektronisch derart zu sichern, dass jede Öffnung festgehalten wird und die Person, die die Zelle betritt zu indentifizieren ist.

     

    3. Das Personal bestimmter Dienststellen ist in regelmäßigen Abständen an andere Dienstorte zu versetzen, um dem Entstehen eines "Corpsgeists" entgegen zu wirken.

     

    4. Brandmeldeanlagen werden direkt mit der zuständigen Dienststelle der Feuerwehr verbunden, ein Abstellen der Anlage ist technisch unmöglich zu machen.

     

    Dies sind nur die dringendsten Forderungen, die sich aus dem Fall Jalloh ergeben. Doch daran ist anscheinend - wieder einmal - niemand wirklich interessiert... Lieber einen Skandal ein wenig ausweisen, anstatt seine Lehren daraus zu ziehen.

  • T
    tsitra

    Der Rassismus und die Fremdenfeindlichkeit ist mitten in unserer Gesellschaft vorhanden.

    Das jedenfalls bestätigen wissenschaftliche soziologische Studien. (Uni. Bielefeld !?)

    So ist es plausibel, dass Richter da nicht genau hinsehen, denn für ihr gutes Gehalt (aus dieser Gesellschaft stammend) müssen sie oben beschriebene Haltung in die Tat umsetzen.

    Das widerspricht zwar der sogenannten Gewaltenteilung, aber letztere ist oft nur ein "frommer Wunsch"

     

    Diese schäbige Strategie des Wegblendens, des garnicht-genau-wissen wollens-damit-das-Hässliche-nicht-ans-Licht-kommt habe ich übregens selbst schon "live" in einem umfangreichen Gerichtsverfahren erlebt.

  • FE
    Frau Edith Müller

    Wäre ich Schwarzer in Deutschland, würde für mich das Signal ausgehen: Benehme dich ordentlich in Deutschland; handle nicht mit Drogen; besauf dich nicht sinnlos, so dass du nicht mehr weißt, was du tust und sei dankbar für die bisherige Gastfreundschaft.