Kommentar Offshore-Windkraft: Aigner hat recht
Das Haftungsrisiko bei Offshore-Anlagen soll nicht der Verbraucher tragen, fordert Verbraucherministerin Aigner. Aber wer dann? Eine staatliche Netz-AG könnte das Dilemma lösen.
E inige der vernünftigsten Vorschläge zur Energiewende kommen derzeit aus Bayern. Im Frühjahr nahm CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer gegen die Ideen seiner norddeutschen Amtskollegen zum groß angelegten Stromexport Stellung. Jetzt blockiert Verbraucherministerin Ilse Aigner die Pläne von Peter Altmaier (CDU) und Philipp Rösler (FDP) zu den Haftungsregeln, die greifen sollen, wenn Offshore-Anlagen nicht an die Netze angeschlossen werden.
Altmaier und Rösler hatten sich auf die bequemste Regelung verständigt: Die Verbraucher sollen zahlen. Werden die Netze nicht rechtzeitig fertig, erhalten die Anlagenbetreiber trotzdem eine Vergütung, die auf die Stromrechnung aufgeschlagen wird.
Unklar ist bislang, was Aigner stattdessen fordern will: Das Haftungsrisiko auf die Offshore-Betreiber zu verlagern, dürfte deren Bereitschaft zu Investitionen mindern. Es auf den zuständigen Netzbetreiber Tennet zu verlagern, ist nicht unbedingt sinnvoller. Das Unternehmen verweist auf sein zu geringes Kapital, weshalb es die Netze nicht im notwendigen Umfang ausbauen könne. Möglich, dass dies zutrifft; ebenso möglich, dass es darum geht, eine höhere als die derzeit staatlich festgelegte Rendite für Netzbetreiber herauszuschlagen.
ist Meinungsredakteur der taz.
Sicher ist jedenfalls: Die Bundesregierung säße nicht in der Zwickmühle, hätte sie nicht die Idee einer staatlichen Netz-AG verworfen. Die auch aus marktwirtschaftlicher Sicht unsinnige Konsequenz: Die privaten Übertragungsnetzbetreiber haben Monopolstellungen in ihren Gebieten, Tennet kann die Politik mit seiner Blockadehaltung vor sich her treiben.
Aigner müsste nun die Netz-AG-Idee wieder auf den Tisch bringen. Aber ob die energiepolitische Vernunft in Bayern so weit reicht, darf bezweifelt werden.
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