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Kommentar Offshore-WindkraftAigner hat recht

Kommentar von Martin Reeh

Das Haftungsrisiko bei Offshore-Anlagen soll nicht der Verbraucher tragen, fordert Verbraucherministerin Aigner. Aber wer dann? Eine staatliche Netz-AG könnte das Dilemma lösen.

E inige der vernünftigsten Vorschläge zur Energiewende kommen derzeit aus Bayern. Im Frühjahr nahm CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer gegen die Ideen seiner norddeutschen Amtskollegen zum groß angelegten Stromexport Stellung. Jetzt blockiert Verbraucherministerin Ilse Aigner die Pläne von Peter Altmaier (CDU) und Philipp Rösler (FDP) zu den Haftungsregeln, die greifen sollen, wenn Offshore-Anlagen nicht an die Netze angeschlossen werden.

Altmaier und Rösler hatten sich auf die bequemste Regelung verständigt: Die Verbraucher sollen zahlen. Werden die Netze nicht rechtzeitig fertig, erhalten die Anlagenbetreiber trotzdem eine Vergütung, die auf die Stromrechnung aufgeschlagen wird.

Unklar ist bislang, was Aigner stattdessen fordern will: Das Haftungsrisiko auf die Offshore-Betreiber zu verlagern, dürfte deren Bereitschaft zu Investitionen mindern. Es auf den zuständigen Netzbetreiber Tennet zu verlagern, ist nicht unbedingt sinnvoller. Das Unternehmen verweist auf sein zu geringes Kapital, weshalb es die Netze nicht im notwendigen Umfang ausbauen könne. Möglich, dass dies zutrifft; ebenso möglich, dass es darum geht, eine höhere als die derzeit staatlich festgelegte Rendite für Netzbetreiber herauszuschlagen.

MARTIN REEH

ist Meinungsredakteur der taz.

Sicher ist jedenfalls: Die Bundesregierung säße nicht in der Zwickmühle, hätte sie nicht die Idee einer staatlichen Netz-AG verworfen. Die auch aus marktwirtschaftlicher Sicht unsinnige Konsequenz: Die privaten Übertragungsnetzbetreiber haben Monopolstellungen in ihren Gebieten, Tennet kann die Politik mit seiner Blockadehaltung vor sich her treiben.

Aigner müsste nun die Netz-AG-Idee wieder auf den Tisch bringen. Aber ob die energiepolitische Vernunft in Bayern so weit reicht, darf bezweifelt werden.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.
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3 Kommentare

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  • M
    Marko

    Grundsätzlich handelt es sich doch bei diesen Offshore-Anlagen nur um eins- Investobjekte. Der Wille von diesen Investoren in Windparks auf hoher See zu investieren besteht doch vor allem auf Grundlage des hohen zu erwartenden Ertrages. In wie weit eine solche Verschiebung der Haftung bzw. des Risikos an einem Investmentobjekt rechtlich sauber ist bleibt abzuwarten. Es wäre nicht die erste Glanzleistung die gegen geltende Gesetze verstößt.

     

    Am Ende findet doch der gleich Prozess jetzt schon statt, da jeder EEG Einspeiser doch ein Anschlussrecht bzw. der Netzbetreiber die Anschlusspflicht besitzt. Sollte das Netz an diesem Anschlusspunkt gar nicht dafür ausgelegt sein- sind Ausbaumaßnahmen erforderlich- bleiben diese beim Netzbetreiber hängen, der sie dann auf die Kunden umlegt.

  • K
    kleinalex

    Eigentlich ist es, denke ich, nicht wirklich wichtig, wer nun genau die Risiken übernimmt. Eine Netz-AG, die Betreiber, die Stromkunden, der Steuerzahler über den Bund? Wichtig ist nur eines:

    Wer das Risiko trägt, trägt auch die Gewinne.

     

    Es darf nicht sein, was in jüngster Zeit immer üblicher wird, dass Investoren zwar Gewinne mitnehmen dürfen, aber nicht die Risiken auch selbst tragen müssen.

     

    Die Haftungsregeln von Altmaier und Rösler sind daher durchaus diskussionsfähig - dann müssen aber auch die von den Investoren erwarteten Gewinne zu mindestens dem Anteil an die Stromkunden ausgeschüttet werden, zu dem die Risiken die Stromkunden tragen. Heißt, wenn die Investoren durch die Haftungsregeln maximal 50% ihres Einsatzes verlieren können, dann bekommen sie auch maximal 50% des Gewinns, der Rest geht an die Stromkunden.

    Und das gleiche gilt auch für eine 'Netz-AG': Wenn die Netz-AG die Risiken trägt, dann erhält die Netz-AG auch die Gewinne. Je mehr die Risiken bei der Netz-AG landen, desto mehr müssen auch die Gewinne dort landen.

     

    Ganz abgesehen davon, dass man in Frage stellen kann, ob große Windparks wirklich die Lösung für die Energieversorgung sind, aber das ist ein anderes Thema, da sind ja nun einmal leider bereits Tatsachen geschaffen worden, mit denen wir nun leben müssen.

  • C
    Chris

    Wer Zahlen soll? - Genau diejenigen, die sich die Gewinne alleine einstreichen. Keiner sonst!