Kommentar Oettinger: Der Problembär von Brüssel
Viele EU-Politiker haben nicht verstanden, was Klimaschutz bedeutet, es wird peinlich, peinlicher, am peinlichsten. Und dann gibt es noch Günther Oettinger.
A ch ja, mal wieder ein richtiger Oettinger. Der EU-Kommissar, einst von der Kanzlerin aus Deutschland weggelobt, versteigt sich zu der Aussage, der Klimaschutz sei in Brüssel in den vergangenen Jahren übertrieben worden. Er will weniger „Gutmenschen“ im Europaparlament, keine Politiker, „die nach Grönland fahren und Eisbären streicheln“.
Nun hat er mit der Erkenntnis, dass der Besuch von Eisbären durch Politiker ein ziemlich überflüssiges Spektakel ist, natürlich recht. Aber seine Agitation gegen den Klimaschutz – Zitat: „Von strengeren Zielen auf dem Weg nach 2020 rate ich dringend ab“ – ist absurd. Auch aus wirtschaftlichen Gründen.
Denn in Zukunft werden sich gerade jene Unternehmen und Volkswirtschaften behaupten, die Klimaschutz ernst nehmen. Das ergibt sich schlicht aus den steigenden Preisen für fossile Energien. Wer sich davon langfristig unabhängig macht, indem er energieeffizient arbeitet und erneuerbare Energien nutzt, wird den Öl-, Gas- und Kohleverheizern wirtschaftlich überlegen sein.
ist Autor der taz.
Günther Oettinger hat das nie begriffen oder begreifen wollen. Oder glaubt er, es sei ökonomisch vernünftig, dass aus Europa jährlich Milliarden Euro für den Öl- und Gasimport abfließen?
Aber die stringente Analyse war nie Oettingers Metier. Umso mehr ist es seit seinem Wechsel nach Brüssel die Provokation. Als Deutschland nach Fukushima seinen Atomausstieg 2.0 festzurrte, sprach er sich für den Bau neuer Atomkraftwerke in Europa aus. Beim Ausbau der erneuerbaren Energien wünscht er sich „eine Geschwindigkeitsbegrenzung“.
Und während der Solarstrom kurz vor der Wirtschaftlichkeit steht, sagt er: „Fotovoltaik kann hierzulande nie eine große und kostengünstige Stromquelle sein.“ Oettinger will Staub aufwirbeln – und wird damit am Ende selbst zum Problembären.
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