Kommentar Österreichs Bleiberecht: Nicht auf dem Boden der Verfassung
Die österreichischen Regierungsparteien betreiben eine Abschottungspolitik gegen Flüchtlinge. Debatten darüber werden zwar geführt - aber außerhalb des Parlaments.
Es gibt wenig Politikfelder, auf denen man Fakten so wenig zur Kenntnis nehmen will wie im Fremdenrecht. Österreichs Verfassungsgerichtshofspräsident Karl Korinek hat Kritik am Fremdenrecht geübt. Doch die Reaktion der Regierungsparteien lautete unisono, man sehe keinen Handlungsbedarf, in zwei Jahren werde man evaluieren. Nach Flüchtlingswellen der Neunzigerjahre und der Krise auf dem Arbeitsmarkt nahm die fremdenfeindliche Stimmung in der Bevölkerung zu. Getrieben von populistischer Angstmache der FPÖ, beschlossen SPÖ- und ÖVP-geführte Regierungen immer höhere Hürden für Zuwanderer und Asylsuchende.
Nicht nur Grüne und amnesty international finden diese Abschottungspolitik bedenklich. Auch der Wirtschaftsflügel der konservativen ÖVP hat längst erkannt, dass der schnurrende Konjunkturmotor Zuwanderung braucht. Und die Demografen sind sich einig, dass ein für das Sozialsystem verheerender Bevölkerungsschwund durch Gebärprämien allein nicht gebremst werden kann.
Diese Debatten finden aber außerhalb des Parlaments statt. Für die Regierungsparteien ist Fremdenpolitik eine Sicherheitsmaterie und untersteht konsequent dem Innenminister. Verfassungsbrüche werden in Kauf genommen, zumal sie nur in überschaubaren Zirkeln Empörung auslösen. Die breite Bevölkerung hat damit keine Probleme: Dafür sorgen schon die alarmistischen Schlagzeilen der Boulevardpresse, wenn mal wieder ein Ausländer beim Dealen oder beim Einbruch ertappt wird.
Der Verfassungsgerichtshof wird nach und nach die menschenrechtswidrigen Bestimmungen außer Kraft setzen müssen. Auf ein Entgegenkommen der Regierungsparteien kann er nicht hoffen. Die wollen sich lieber als "Sicherheitspartei" profilieren: Das Etikett "Menschenrechtspartei" oder gar "Zuwanderungspartei" überlässt man gerne den Grünen. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass bei der Evaluierung des "Fremdenrechts" in zwei Jahren kein Bedarf für Entschärfungen festgestellt werden wird. Denn dann herrscht Vorwahlkampf.
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